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Arbeiten sind uns jedoch nicht bekannt."9 Feliks Kopera10 wiederum, Direktor des National-
museums Krakau, wuftte zwar seinen Namen (den Vornamen allerdings nicht mehr), aber
bekannt war ihm lediglich, daB „Stieler ein in Polen tatiger Miniaturist" war. Athanasius
Raczyński bezog sich nur auf das deutsche Schaffen des Kunstlers11 — vermutlich wuBte er gar
nicht, dalS sich jener in Polen aufgehalten hatte, oder war das fur ihn kaum von Bedeutung. Jerzy
Mycielski und Tadeusz Dobrowolski lassen ihn unerwahnt.

So war der damalige Wissensstand. Es hat erst einer durch reiches Cłuellenmaterial fundierten
Monographie des Kunstlers12 bedurft, um dem von Stieler in Polen Gemalten nachzuforschen,
denn Ulrike von Hase kennt aus der polnischen Periode des Malers nur sein — ubrigens sehr
schónes — Selbstportrat. Diese Suche war alles andere ais leicht und hat a uch keinen besonders
reichen Ertrag gebracht. Es hat jedoch nicht anders sein kónnen, da die von Stieler gemalten
Bildnisse fur die Hauser der Portratierten bestimmt waren, und das Geschick Polens fugte es, dali
es in der Geschichte polnischer Familien keine Kontinuitat, keine Tradition gibt. Viele dieser
Portrats existieren bestimmt nicht mehr.

Stieler, der fast sein ganzes Leben in Munchen verbrachte und 40 Jahre lang ais Hofmaler drei
aufeinanderfolgender bayerischer Kónige tatig war, schuf Reprasentationsportrats und trieb
seine Technik auf diesem Gebiet bis zur Perfektion. Er war also vor allem ein Maler regierender
Hauser und entsprach den Bedurfnissen der offiziellen Ikonographie. Die Kunstgeschichte mag
es nicht, sich mit solchen Kunstlern zu befassen. Er malte die gesamte kónigliche Familie
Bayerns, von kleinen Kindern bis zu auf dem Totenbett liegenden Verstorbenen, aber auch
Mitglieder verschiedener deutscher, ósterreichischer, schwedischer und griechischer Herrscher-
hauser, sogar die brasilianische Kaiserin mit ihrer Tochter, sowie die gesamte damalige deutsche
Aristokratie, die, ihrem Beispiel folgend, sich von ihm portratieren Meli. Bestellt wurden bei ihm
auch Bildnisse groBer Kiinstler und Gelehrter — Beethovens, Goethes, Schellings, Ludwig
Thiecks und Alexander Humboldts, die dann ais die maftgeblichsten Portrats derselben galten.
Auch die 36 Gemalde der Schónheitengalerie, jetzt in SchloB Nymphenburg, war sein Werk.
Uberhaupt wurde Stieler damals in Deutschland in den obersten Kreisen fur den wohl
bekanntesten Portratmaler angesehen, doch seine Kundschaft bestand fast ausschlieElich aus
Deutschen. So war es jedenfalls in den Jahren seiner Reife und seiner Beruhmtheit. Unter den
wenigen Auslandern, die ihm safien, waren Polen und Polinnen entschieden am zahlreichsten
vertreten.

In den Jahren 1 805—1 81 0 schrieb Stieler Tagebucher (die sich erhalten haben), und sein
ganzes Leben lang fuhrte er Rechnungsbucher (diezumTeil verschont geblieben sind). Obwohl
die einen ais auch die anderen bef inden sich im Privatbesitz, wurden aber von der Monographis-
tin des Kunstlers gewissenhaft ausgewertet. Diesen Ouellen ist zu entnehmen, dalS sich der
Maler vom 26. Januar bis zum 27. November in Krakau, vom 1. Dezember 1805 bis zum 26.
Januar 1807 in Warschau und dann kurz in Lemberg aufgehalten hatte. Noch viele Jahre spater
konnte er Aleksander Lesser (der ab 1835 in Munchen weilte) berichten, dali er in Warschau und
in Krakau „reichlich bezahlte" Portrats gemalt habe.13 In seinem spaten Lebenslauf hat Stieler

9. E. Rastawiecki, Słownik malarzów polskich tudzież obcych w Polsce osiadłych lub czasowo w niej przebywających, Bd. 3,
Warszawa, 1857, S. 412.

10. F. Kopera, Dzieje malarstwa w Polsce, T. 3, Warszawa (1929), S. 48.

11. A. Raczyński, L'art modernę en Allemagne, Paris, 1839, Bd. 2, S. 406—408.

12. U. von Hase, Joseph Stieler 1781—1858. Sein Leben und sein Werk. Kritisches Verzeichnis der Werke, Munchen, 1971.
[Materialien zur Kunst des 19. Jahrhunderts, Bd. 4]. Informationen, bei denen keine andere Quelle angegeben ist, sind
diesem Buch entnommen.

13. Krakau, Archiv der Jagiellonen-Universitat, Mappen von Edward Rastawiecki, Korrespondenz D I 27 Nr. 11182, Brief
Lessers an Rastawiecki, o. D., um 1860. Vgl. H. Stępień, Artyści polscy w środowisku monachijskim w latach 1828—1855,
Wrocław, 1990.

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