Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
4. Je ne finirai a Vienne que les tetes et une legere ebauche de la figurę, le reste du tableau sera
termine a Munich.

5. On payera la moitie de chaque portrait, aussitót que la tete sera terminee. Les tableaux seront
numerotes et termines entierement apres leur numero. J'ai 1'honneur d'etre avec le plus grand
respect votre, Monsieur le comte, tres humble serviteur J. Stieler.

Munich, le 25 Decembre 1831."

Ende 1831 weilte Artur Potocki tatsachlich in Wien, wo er schwer krank daniederlag. Er starb
dort am 30. Januar 1832. Anscheinend wollte er noch vor dem Tode sich und seine Frau,
vielleicht auch ihren einzigen Sohn Adam, damals einen knapp zehnjahrigen Jungen portratieren
lassen. Wer das andere Kind sein konnte, von dem im Brief die Rede ist, weiB ich nicht. Die
Potockis hatten zwar noch funf Kinder gehabt, die al le aber im Sauglingsalter gestorben waren.
Ich glaube, der Maler habe den Brief nicht zuruckgeschickt bekommen, sei demnach damals
nicht nach Wien gefahren und habe nicht mehr Artur Potocki, oder seine Frau, oderseinen Sohn
gemalt. Die im Jahre 1834 vom Kunstler eingetragene Einzahlung kann eine Form der
Entschadigung gewesen sein.

Es ist aber auch móglich, daft sie mit einem anderen Auftrag zusammenhing. Dem
angefuhrten Brief war namlich noch eine Ouittung beigelegt, am selben Tag und ebenfalls auf
Franzósisch ausgestellt. Stieler bestatigte damit den Empfang von 50 Louisdor Anzahlung fur
das Portrat „de Madame de Kisleffe". Wenn der Preis auch in diesem Falle 100 Louisdor zu
betragen hatte, war dieses Portrat anscheinend bereits skizziert und der Kopf ausgefuhrt.
Sicherlich hatte Artur Potocki auch dieses Bild in Auftrag gegeben und die damit verbundenen
Kosten getragen, aber das Gemalde war nicht fur Krzeszowice bestimmt.

Zofia Kiseleff, einegeborene Potocka (1801—1875), war 20 Jahre alt, ais Kaiser Alexander I.
sie mit seinem Adjutanten, dem 13 Jahre alteren General Paweł Kiseleff, verheiratete. Die Ehe
uberdauerte nur einige Jahre; die getrennt lebende, sehr reiche Zofia, die ausschlieBlich in
polnischen Kreisen verkehrte, wurde bald zu einer hervorragenden Persónlichkeit der polnischen
Grolien Emigration. Im Jahre 1831 hielt sie sich in Wien auf, wo sie ihren Bruder Aleksander
Potocki dazu uberredete, am polnischen Novemberaufstand teilzunehmen; im Winter weilte sie
aber bereits in Paris. Ais Stieler Artur Potocki die Anzahlung fur das Portrat quittierte, war Zofia
also nicht mehr in Wien. Vielleicht war das der Grund, daB Artur Potocki ihre finanziellen
Angelegenheiten regelte. Wie dem auch sei, hatte sie sich bestimmt im Sommer oder Herbst
1831 von Stieler portratieren lassen. Das gegenwartige Schicksal des Gemaldes ist unbekannt.
Man weiB aber, wie dieses Portrat ausgesehen hat, da Ulrike von Hase seine Kompositionsskiz-
ze35 aufgefunden und veróffentlicht hat (Abb. 7). In ungenanntem Privatbesitz in Bebenhausen
erhalten geblieben, ist sie auf der Ruckseite bezeichnet: Kiseleff Gemalin des Russischen
Governeur in Odessa gemalt 1832 J. Stieler Bild in Dresden. Wenn sich das ausgefuhrte
Gemalde in Dresden befand, wird es das Appartement Aleksander Potockis (1798—1868), eines
Bruders von Zofia Kisseleff, geschmuckt haben, der die sachsische Staatsangehórigkeit
angenommen und in dieser Stadt seinen gewóhnlichen Wohnsitz hatte. Eine eigene Familie hat
er nicht gegrundet, also wurde sein Vermógen zerstreut. Wenn Zofia Kisseleff nach seinem Tode
ihr Portrat zuruckgenommen hatte, brachte sie es nach Paris mit. Zum einzigen Erben ihres
riesigen Vermógens hat sie ihren naturlichen Sohn mit dem Namen St Clair bestimmt.

Dieses Portrat ist wie eine Genreszene komponiert, was bei Stieler auBerst selten vorkommt:
eine Dame sitzt vor dem Spiegel, in den Handen eine kostbare Kette haltend, doch ihr Blick ist
nicht auf ihr Spiegelbild, sondern auf den Betrachter gerichtet. Die Monographistin des

35. U. von Hase, op. cii, S. 86, 135, Nr. 155. Im Verkaufsverzeichnis des Kunstlers vermerkt.

35
 
Annotationen