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Publikum schlieBen sich zusammen zu einzelnen Gruppen, die Kunstprizipien verfechten und auf
Kunst-Manifeste schwóren. Alles vollzieht sich unter AusschluB der Óffentlichkeit oder anders gesinnter
Gruppen. Man ist ganzlich unter sich, huldigt einander und zelebriert das Schulhaupt, den erwahlten
GroBmeister. Die Atmosphare dieser auf 'Richtungen' eingeschworenen Kunstlerkreise ist uberzeugend
eingefangen in jenen 'Hommages', die wir von Fantin-Latour (Hommage a Delacroix UAtelier aux
Batignolles - mit Eduard Manet in der Mitte - von 1870), Maurice Denis (Hommage a Cezanne von
1901) oder noch von E.L. Kirchner kennen {Maler der Brucke von 1925). In den Bereich dieser stets
ein wenig inziichtig anmutenden Atelierbilder gehóren auch die zahlreichen Einzel - und Gruppen-
bildnisse von Kunstlern, die urn 1870 im Leibl-Kreis entstanden sind"3.

Ruhmer zufolge widerspiegeln sie die im Atelier gefuhrte Diskussion uber die Kunst. Der Kunstler,
der seinem Kollegen Modeli stand, war fur ihn Kampfgefahrte und Inkarnation einer bestimmten
Kunstlehre. Und so lieBen sich seiner Meinung nach die Kunstkritiker (die Maler Haider und Hirth du
Frenes) und das Atelier (der Zeichner Karl Meggensdorfer und der Bildhauer Schmidt) von Wilhelm
Leibl, Leibl im Kreis seiner Freunde von Theodor Alt, Leibl und Sperl im Boot und Leibl und Sperl auf
der Jagd von Hirth du Frenes zu den typischen Bildnissen dieser Art zahlen, auf denen der Fuhrer der
Gruppe personlich abgebildet ist. Doch gehórt noch eine ganze Reihe von Einzelportrats dazu, die
Ausdruck der diese Kunstler verbindenden Freundschaft und des zwischen ihnen gefuhrten
Meinungsaustauschs sind. Nach Ruhmer lieGen sich hier solche Bildnisse anfuhren wie Der Maler
Sattler mit Dogge, Bildnis des Malers Johann Sperl (1872), Bildnis des Malers Fritz Paulsen (1870),
Bildnis des Malers Wilhelm Trubner (1871/72), Bildnis des Malers Carl Schuch von Leibl bzw. Bildnis
des Malers Karl Hagemeister (1876) von Schuch4. Diese Listę erweiterte Ruhmer betrachtlich nach
weiteren Untersuchungen5 zu diesem Thema. Er fugte eine Reihe neuer Namen von Kunstlern hinzu,
die Leibl in den sechziger und siebziger Jahren gemalt hatte. AuBerihm und den schonfruhererwahnten
Malern Trubner, Hirth du Frenes und Schuch malten Albert Lang, Victor Muller, Wilhelm Chase, Frank
Duveneck, Alois Erdelt, Ross Turner, Ernst Zimmermann und Hans Thoma Bildnisse ihrer
Kunstlerfreunde. Aus dem Schaffen des letztgenannten erwahnte Ruhmer6 die Bildnisse von Albert
Lang, Wilhelm Steinhausen und Adolf von Hildebrand.

Dieses lediglich in bezug auf Thoma angedeutete Problem sollte eingehender behandelt werden. Hat
dieser Maler doch viele Bildnisse seiner Kunstlerfreunde, hauptsachlich aus den sechziger und siebziger
Jahren hinterlassen, die mit dem hier angeschnittenen Problem in Zusammen hang stehen. Obwohl die
fruhesten entstanden, bevor er mit dem Leibl-Kreis in Beruhrung gekommen war, so erinnern sie doch
in ihrer Malweise, Anordnung, und Atmosphare an analoge Darstellungen, die aus dem Schaffen dieser
Kunstlergruppierung bekannt sind. Urn das Bild zu vervollstandigen, wird auch von spateren Bildnissen
Thomas berichtet werden, die entstanden, nachdem sich der Kunstler vom Leibl-Kreis gelóst hatte,
jedoch irgendwie mit der realistischen Episode in seinem Oeuvre verbunden sind.

Thoma pflegte im Laufe seines langen Lebens zahlreiche Kontakte mit verschiedenen Kunstlern,
manche davon bestanden seit seiner Studienzeit in Karlsruhe bis an sein Lebensende. Einige hatten
den Charakter einer Freundschaft, wie im Falle von Wilhelm Steinhausen, Gustav Osterroht, Emil Lugo,
Eugen Bracht, Victor Muller, Albert Lang, Ernst Sattler oder Adolf Stabli. Am engsten war der Kunstler
mit dem erstgenannten Maler befreundet, obwohl bei beiden gleichzeitig die gróBten Differenzen in
kunstlerischen Fragen auftraten. Sind doch kaum unterschiedlicherePersónlichkeiten denkbar ais diese
Kunstler, von denen der eine die nazarenische Malerei fortsetzte und der andere Anhanger des
Realismus im Courbertschen Geiste war, zumindest in der Periode, von der hier die Rede ist. Thoma
lernte Steinhausen wahrend des Studiums in Karlsruhe kennen. Von den damals mit ihm gefuhrten
Streitgesprachen kann ein Satz aus einem Brief des Kiinstlers von 1870 zeugen, in dem er angesichts
einer geplanten Begegnung mit dem Freund schrieb: "Ich glaube, wir wiirden uns in manchem besser
verstehen ais damals, wo wir spat am Abend unfruchtbare Kunstdispute fuhrten..."7. Trotz dieser

3. E. Ruhmer, "Kunstlerbildnisse...", op.cit, S. 121.

4. W.o., S. 121-125.

5. E. Ruhmer, Der Leibl-Kreis..., op.cit, S.42.

6. W.O., S.41.

7. [. Eichler, Hans Thoma - Wilhelm Steinhausen. Eine Kunstlerfreundschaft in Selbstzeugnissen, Frankfurt a.M., [1989], S. 4.

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