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das Portrats Albert Langs eher den Darstellungen in der Art der oben behandelten Skizze, die Ernst
Sattler darstellt (vgl. III. 4).

Mit dem Kreis der in Italien wirkenden deutschen Maler, dem Lang eine Zeitlang angehórte, ist auch
das Portrat Adolf Hildebrands" von 1884 verbunden. Thoma lernte den Portratierten wahrend seines
Italienaufenthalts 1880 kennen, und diese Bekanntschaft hielt er damals "nicht fur den geringsten
Gewinn der italienischen Reise"'15. Die Kunstler begegneten sich erneut im Fruhjahr 1887. Der Maler
verbrachte damals die Osterzeit in Hildebrands Haus in Florenz und arbeitete in seinem Atelier, was
ein wenig an die im Leibl-Kreis herrschenden Brauche erinnert. Neben den zum Verkauf bestimmten
bestellten Kopien und Aquarellen fertigte er damals vor allem Aktstudien von Hildebrands standigem
Modeli an. Aus der Zeit der gemeinsamen Arbeit stammt hóchstwahrscheinlich das gezeichnete Bildnis
Hildebrands (III. 9)46 im Nationalmuseum in Warschau, das, dererhobenen rechten Handdes Portratierten
nach zu schlieBen, ihn bei der Arbeit, beim Bildhauern zeigt. Nach der Ruckkehr in die Heimat
bearbeitete Thoma die in Italien begonnenen Motive, von dereń Charakter die Skizzen mannlicher Akte47
im Nationalmuseum im Warschau eine gewisse Vorstellung vermitteln. Die Ungezwungenheit bei der
Wiedergabe des nackten Kórpers, eine gewisse Bildhaftigkeit, die diese Skizzen charakterisieren, sind
zweifellos auf den EinfluB Hildebrands zuruckzufuhren. Der ungewóhnliche Realismus, ja sogar
Naturalismus dieser Akte veranschaulicht hingegen die Ansichten des Kunstlersausden sechziger und
siebziger Jahren, daB die Wirklichkeit in der Kunst so darzustellen sei, wie sie ist, ohne Verschónerungen.
Das laBt sich voll wurdigen, wenn man diese Skizzen mit den in jener Zeit, auch unter dem EinfluB
Hildebrands, entstandenen Bogenschutzerf8 vergleicht, bei denen das Streben nach Idealisierung des
menschlichen Kórpers deutlich sichtbar ist. Das Portrat Hildebrandsvon 1884 und auch das in derselben
Zeit entstandene Portrat Konrad Fiedlers49, eines mit dem Kreis der deutschen Maler in Italien
befreundeten Asthetikers, sind ein Beispiel fur das gute Handwerk, die Routine, die Thoma erwarb, ais
er seinen Lebensunterhalt durch Portratmalerei bestritt.

1886 schuf der Kunstler ein Lithographisches Portrat von Otto Scholderer50, dem Maler, der groBe
Bedeutung fur seine Entwicklung ais Realist gehabt hatte. 1868 reiste er mit ihm nach Paris, wo er
Courbet und andere franzosische Realisten kennenlernte. Scholderer fuhrte ihn in den Kreis der Maler
urn Victor Muller in Munchen ein und war ihm, wie er in den ihm gewidmeten Nach ruf schrieb "In dieser
Zeit des Schwankens und Suchens eine starkę Stutze", "Lehrer und Fuhrer"51. Er beeinfluBte ihn in der
Maltechnik, bei der Auswahl der Motive (insbesondere in der Fruhzeit), bei der Herausbildung seiner
Anschauungen uber die Kunst. Dem EinfluB Scholderers ist es auch zuzuschreiben, daB Thoma in
seinen Gemalden wie z.B. Die Naherin52, La giardiniera53, Die Zitronenyerkauferin54 das Portrat und
das Stilleben miteinander verband und das Thema "auf dem Markt" in Angriff nahm. Die Anfertigung
des Portrats im Steindruck sollte durch die vervielfaltigende Wirkung der Graphik insbesondere dazu
dienen, den Ruhm des Portratierten zu verbreiten.

Die Portrats aus den achtziger Jahren sind durch die portratierten Personen mit der realistischen
Schaffensperiode Thomas verbunden. Hat doch jede von ihnen auf irgendeine Weise dazu beigetragen,
daB sich Thoma der Problematik des Realismus zuwandte.

Ubersetzt von Kordula Zubrzycka

44. H. Thode, op.cit, III. S. 221 (rechts).

45. J.A. Beringer, Hans Thoma. Aus achtzig Lebensjahren. Ein Lebensbildaus Briefen und Tagebuchem gestaltet Leipzig, 1929, S. 190.

46. Das Thoma-Land..., op.cit., Nr. 73 und III. (Zeichnungen).

47. W.o., Kat.nr. 60 und III., 61, 62 und III., 74 und III. (Zeichnungen).

48. Ober das Auftreten dieses Motivs in Thomas Werk vgl. w.o., Nr. 167 und III. (Zeichnungen).

49. Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie; vgl. H. Thode, op.cit., III. 221 (links).

50. W.O., III. S. XV.

51. Vgl. FuBnote 28.

52. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe; vgl. H. Thode, w.o., III. 17 (unten).

53. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe; vgl. w.o.. III. S. 174.

54.1986 befand sich das Gemalde im antiguarischen Handel in Munchen; vgl. w.o., III. S. 149 (links).

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