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Bock, Franz
Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters: oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung (Band 1) — Bonn, 1859

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https://doi.org/10.11588/diglit.26750#0133
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in Bezug auf seine Weichheit und Zartheit mit dem Pelze des
Bären entfernte Aehnlichkeit haben mochte; deswegen soll auch
nach Einigen im Provencalischen der Name „velours“ (ursus) ent-
standen sein.

Schon zur Zeit Carl’s des Grossen soll Persien Sammetstoffe
gekannt haben, wenn der Reimchronik eines proven9alischen Dich-
ters Gewicht beizulegen ist;1) es sollen nämlich unter den bekann-
ten Geschenken, die Haroun-al-Raschid aus Persien Carl dem
Grossen schickte, sich auch Sammetstoffe befunden haben. Dass
überhaupt in den Gegenden des Orientes, die von den Bekennern
des Islams bewohnt waren, unter andern reichen Seidengeweben
vornehmlich der Cendal und Sammet fabricirt wurde, geht schon
aus den noch vorhandenen Sammetstoffen hervor, die häufig mit
cufischen Charakteren, Sentenzen aus dem Koran oder Lobes-
sprüche auf Regenten enthaltend, künstlich und reich gestickt sind.
Auch der Turban vornehmer Moslims bestand zu dieser Zeit häufig
aus feinen Sammetgeweben. 2)

Nicht weniger scheint um diese Zeit die Fabrication der Sam-
metstoffe im byzantinischen Kaiserreiche eine ausgebreitete gewe-
sen zu sein; denn bei der Einnahme von Constantinopel durch die
Lateiner im Jahre 1201 erbeutete das Heer der Kreuzfahrer, nach
dem Berichte von Augenzeugen,3) eine so grosse Menge gol-
dener und silberner Geräthe und kostbarer Gewebe von Seide und
Sammet, dass derjenige, „der früher im Heere der Lateiner hung-
rig bettelte, jetzt, nachdem für Alle gleiche Theilung gemacht wor-
den wTar, sich mit einem Male im Wohlstand befand und an al-
lem Ueberfluss hatte.“ 4) Da nun auch seit dem Ende des XII.
und Beginn des XIII. Jahrhunderts die Seidenwirker im König!.
Palaste zu Palermo 5) mit ihren muselmännischen Rivalen (d’outre
mer) die Concurrenz in Anfertigung von Sammetgeweben began-
nen, so mag in Folgendem noch auf” den vielfachen Gebrauch des
oftgedachten Fabricates zu kirchlichen und profanen Zwecken hin-

0 Chron. de Philippe Mouskes. Tom. I, pag. 120, v. 2920 u. pag. 121, v.
2945.

2) Speculum kistoriae von Vincent von Beauvais lib. XXXII, cap. LV.

3) G. de Ville-Hardouin, histoire de la conquete de Constantinople, Chap. CXXXI
et CXXXII.

4) Wilh. de Tyr, arch. hist. lib. V, Cap. XXIII.

5) Die hohe Blüthe dieses von Robert Guiscard begründeten Instituts ist schon
aus dem Umstande zu entnehmen, dass in demselben die kaiserlichen Pracht-
gewänder angefertigt worden sind, die heute noch, aus der Zeit Kaiser Hein-
rich’s II. und der frommen Cunigunde stammend, im Dome von Bamberg auf-
bewahrt werden. Vgl. eine später folgende Beschreibung und Abbildung.
 
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