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Bock, Franz
Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters: oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung (Band 1) — Bonn, 1859

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https://doi.org/10.11588/diglit.26750#0135
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einen Leibrock von Sammet (cotte de sannt), der zu verstehen
gab, dass er ein Ritter sei.“1) Vorzüglich aber war der grüne
Sammet2) im XIII. und XIV. Jahrhundert die Lieblingsfarbe und
der bevorzugte Stoff, aus welchem die Banner, die Leib- und Waf-
fenröcke der Ritter angefertigt zu werden pflegten, wenn sie im
festlichen Anzuge auf Turnier zogen.

So liesst man im Wigolois, dem Ritter:3)

Sein Waffenrock von borten was
Ein samit, grüne als ein Gras
was zu der banier gesniten.

Bereits im Anfänge des XIV. Jahrhunderts, mehr aber noch ge-
gen den Schluss des XIV. Jahrhunderts war der Vorrath der Kirche
an schweren Sammetstoffen schon beträchtlich; es ist dieses zu entneh-
men aus den vielen noch vorhandenen Verzeichnissen der Schätze und
Gewänder berühmter Kathedral-Kirchen. Da nun aber die Sammet-
stoffe um jene Zeit die theuersten und gesuchtesten waren, und die
Kirche nicht immer die Mittel haben mochte, für die liturgische Klei-
dung der damals schon zahlreichen Geistlichkeit so kostbare Gewebe
anzuschaffen, so mag es von Interesse sein, in Folgendem mitzu-
theilen, auf welche Weise sich zumeist die Gewandschränke der
reichen Sacristeien (vestiaria) des Mittelalters hinsichtlich der Sam-
metgewebe füllten.

Es war ein uralter, in der Kirche bestehender Gebrauch, die
Gräber (tumuli) der Heiligen mit reichen, golddurchwirkten Stof-
fen4) zu bedecken. Schon im XII. Jahrhundert ging man wei-
ter, und überdeckte auch die Särge vornehmer Verstorbenen mit
den werthvollsten Webereien, die um so kostbarer waren, je hö-
her der Verstorbene in Rang und Würde stand. Und zwar ge-
schah dieses bei feierlichen Funeralämtern , wenn die Leiche auf
hohem Katafalk von Lichtern umgeben exponirt war. Es wurden
dann von den Leidtragenden diese Weihgeschenke „für die See-
lenruhe der Verstorbenen“ 5 &) über den Sarg ausgebreitet; war bei

') La tres-elegante ... Histoire ... du roy Perceforest etc. tom. III, fol. 127
col. 2.

2) . . . vestita d’uno sciamito verde cd ornata multo, ctc. il decamerone giorno
VII, nav. IX, — ferner Orlando furioso, cant. VI st. LXXII.

3) Wigolois, der Ritter etc. Berlin 1819, pag. 18, v. 400 und ferner idem pag.
30, v. 743 und pag. 34 v. 851.

4) Monumenta Germaniae historica, script. tom. IV, pag. 37. lin. 42 und ferner

Acta sanctorum ordinis St. Benedicti, saec. III, pars II, pag. 209.

&) Item baudekynus rubeus, cum Sampsone constringente ora leonum (befand
sich als Dessin in diesem Stoffe gewebt) de dono Almerici de Lucy pro
anima G. de Lucy.
 
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