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Bock, Franz
Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters: oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung (Band 1) — Bonn, 1859

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https://doi.org/10.11588/diglit.26750#0508
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— 428

wird, das den ganzen Körper vollständig umgibt und einhüllt,
so zwar, dass der untere Saum dieses durchaus geschlossenen Ge-
wandes nach Anlegung desselben über die Arme heraufgerollt
wird, und dessen weiter untere Rand unstät und beweglich auf
den Armen herum zu irren scheint. Du Saussay leitet aus dem
Grunde, dass der untere Saum dieses Gewandes frei und beweg-
lich auf den Armen aufgerollt wird, die Etymologie des Wortes
sogar her aus der Analogie mit den wandelnden Sternen, den Pla-
neten. *) Auch der jüngere Isidorus entnimmt die Etymologie die-
ses Ausdruckes von dem ebengenannten griechischen Terminus. Er
sagt nämlich: „planetae dictae quia oris errantibus evagantur.“
Es fliesst nämlich der untere Saum, „ora, lymbus“, bei der Auf-
schürzung des rund geschlossenen Gewandes ungeordnet über die
Arme, so dass er unstät immer die Stelle wechselt, je nachdem
man die Arme höher erhebt oder senkt. Deswegen gibt auch die
„gemma animae“ des Honorius hinsichtlich dieses auf den Armen
umher irrenden und schweifenden untern Gewandsaumes Folgen-
des an: „casulam Omnibus aliis vestibus circumjeci, quae pkmeta
dicatur, quod errabundus lymbus eius utriusque in brachia sub-
levetur; liaec in pectore et inter humeros duplicatur, in utroque
brachio triplicatur. “ Die andere Benennung „casula“, die gleich-
berechtigt neben dem aus dem Griechischen abgeleiteten Worte
„planeta“ bei den ältern kirchlichen Schriftstellern vorkommt, ist
nicht von dem auf den Armen herumirrenden Saume herzuleiten,
sondern von seiner Eigenschaft, dass dasselbe rundum wie ein
kleines Zelt, Ilüttchen (casa, Diminutiv: casula) den Körper des
Tragenden umschliesst. So leitet auch Isidorus den Begriff „ca-
sula“ von der äussern Form und Beschaffenheit derselben her,
indem er sagt: „casula est cuculla, a casa, quod totum hominem
tegat, quasi minor casa.“

Wo dürfte nun der Ursprung dieser Kasel zu suchen sein,
die in der später corrumpirten Latinität bei einigen Schriftstellern
auch „casibula“, „casubula“, „cuculla“ genannt wird?

Wie überhaupt die Kunst der Römer aus der griechischen
sich entwickelt hat, so stammten auch in der klassischen Kaiser-
zeit die meisten damals im vornehmen Rom gebräuchlichen Pro-
fangewänder aus Griechenland her. Für den unzweifelhaft grie-
chischen Ursprung der „planeta“ zeugt, wie oben bereits ange-
deutet wurde, auch der gräcisirende Name. Für das Herkommen
dieses Gewandes aus Althellas zeugt ferner auch die synonyme

’) Du Saussay Panoplia sacerdotalis, lib. VI. cap. 2. pag. 101.
 
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