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Bode, Wilhelm
Franz Hals und seine Schule: ein Beitrag zu einer kritischen Behandlung der holländischen Malerei — Leipzig, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.16216#0065
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— 55 -

uns mit, dass Steen vor dem Jahre 1648 längere Zeit sich in Haarlem
aufhielt, ehe er in Leyden als Meister in die Lucasgilde aufgenommen
wurde. Da weder N. Knupfer noch J. v. Goijen, die als seine Lehrer
genannt werden, in Haarlem ansässig waren, so lässt man wohl den
Meister während des Aufenthalts in dieser Stadt sich unter A. Brouwer
ausbilden, der doch bereits im Jahre 1631 —1632 nach Antwerpen
übergesiedelt und schon 1640 gestorben war; oder man macht ihn zum
Schüler des A. Ostade, mit dessen ganzer Kunstweise J. Steen so ausser-
ordentlich wenig Verwandtschaft zeigt. Auf Grund der Eigentümlichkeiten,
welche wir in den früheren Bildern des Meisters kennen gelernt haben,
müssen wir vielmehr daran festhalten, dass sich Jan Steen während
jenes Aufenthalts in Haarlem unter dem Einflüsse des Frans Hals, viel-
leicht in der Schule des Dirk Hals ausgebildet hat.

Wohl der entschiedenste Antipode des Jan Steen ist unter den
holländischen Genremalern Gerard Terborch. Statt jenes schneidigen
Humors bei Steen finden wir bei Terborch eine auf den ersten Blick
fast nüchterne Schlichtheit der Auffassung, statt des Reichthums der
Motive und der Charaktere einfache sich häufig wiederholende Scenen
mit wenigen meist wiederkehrenden Figuren, statt lebendigster Bewegung
die höchste äusserliche Ruhe, statt leichter flotter Behandlung und frischer
bunter Färbung die feinste Durchführung, die abgewogenste Harmonie
der Farben. Und doch wie wir in J. Steen Anklänge an die Auffassung
und Behandlung des F. Hals zu entdecken glaubten, so scheinen mir
dieselben aucli in Terborch noch erkennbar. Freilich war es nicht die
frappante Charakteristik, der derbe Humor des F. Hals, welcher ihn
anzog, sondern die schlichte naive Auffassung und die feine Färbung
des Meisters. Wir haben eine Reihe von Bildern des Hals aus seiner
besten Zeit kennen gelernt, darunter namentlich jenes wunderbare Bild-
niss des jungen Mädchen aus der Familie van Beresteyn, welche nicht
in der Bravour der Mache sondern in dem Vcrläugnen derselben, in der
grössten Durchführung, in der raffinirtesten Zusammenstellung und Ab-
tönung der Farben und des Colorits zu excelliren suchen; solche Werke
sind die Vorbilder des Terborch gewesen, an ihnen hat er seine unüber-
troffene malerische Behandlung des Stofflichen ausgebildet. Deutlicher
als in den meisten seiner allbekannten Darstellungen und dem sogenannten
höheren Genre zeigt sich die Verwandtschaft in einigen schon den Mo-
tiven nach abweichenden Bildern, welche aus ähnlichen Kreisen ent-
nommen sind wie die Bilder eines J. A. Duck, Kick und anderer Schüler
des F. Hals, denen sie auch in der Einfachheit der Auffassung wie der
Färbung verwandt sind. Dahin gehören vor Allen „die jungen Raucher"
 
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