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Auch bietet Schwerin an Genüssen anderer Art weit mehr, als der Fremde erwarten wird. Schon die
Lage an dem breiten See mit seinen waldreichen Hügeln, das rnalerische Schloss am Ufer des See's,
welches in Deutschland nicht seines Gleichen hat, der gothische Dom mit seinen herrlichen Broncegrab-
platten, die Nachbarschaft von Wismar, Rostock, Güstrow und Lübeck lohnen für den, welcher auf der
Durchreise nach Hamburg in die Nähe von Schwerin kommt, einen Besuch der Stadt.
Wenn die Schweriner Galerie hier unter dem allgemeinen Titel einer „kleineren deutschen Bilder-
sammlung" mitbegriffen wird, so ist diese Bezeichnung, wie ich ausdrücklich bemerke, nur gewählt im
Gegensatz gegen die vier grossen Galerien Deutschlands, welche als Galerien ersten Ranges bezeichnet
zu werden verdienen: die Gemäldesammlungen in Dresden, München, Wien und Berlin. Sowohl die
Zahl der Bilder — allein an Gemälden alter Meister zählt dieselbe mehr als 1150 Stück — wie namentlich
der künstlerische Werth derselben weisen aber der Schweriner Galerie unter den übrigen zahlreichen
Bildersammlungen Deutschlands eine der ersten Stellen an.
Die Geschichte der Galerie ist bald erzählt, da bisher nur einige dürftige Notizen darüber veröffent-
licht worden sind. Selbst der neue treffliche Katalog von Hofrath Dr. Friedrich Schlie hat, mit Rücksicht
auf eine in Aussicht genommene besondere Publication über die Geschichte der grossherzoglichen
Sammlungen, die Frage über die Erwerbung der einzelnen Bilder fast ganz ausser Acht gelassen. Sollte
während der Ausgabe dieser Galeriepublication die versprochene Arbeit erscheinen, so werde ich zum
Schlusse die Resultate derselben kurz nachholen.
Der eigentliche Gründer der Galerie ist der Herzog Christian Ludwig, welcher im Jahre 1756 starb.
Die Zahl der Gemälde, welche derselbe bereits vorfand, ist eine sehr beschränkte; aber auch die seit
seinem Tode gemachten Erwerbungen sind, abgesehen von der hier nicht in Betracht kommenden
Abtheilung der neueren Meister, verhältnissmässig nicht zahlreich. Das lebhafte Interesse des Herzogs
Christian Ludwig an den bildenden Künsten fand im blossen Sammeln der alten Gemälde keine volle
Genugthuung; der Fürst suchte auch eine Zahl namhafter Künstler der Zeit, Deutsche wie Fremde,
dauernd oder vorübergehend an seinen Hof zu ziehen oder doch für sich in umfassender Weise zu
beschäftigen. Dadurch entfaltete sich in Schwerin kurz vor der Mitte des Jahrhunderts ein so reges
Kunstleben, wie es kaum eine zweite kleinere deutsche Stadt gleichzeitig aufzuweisen hatte. Die zahl-
reichen Gemälde der Galerie von einem Denner, Finndorf, Dietrich, Thiele, Oudry und anderen Malern
des vorigen Jahrhunderts verdanken den nahen Beziehungen des Herzogs Christian Ludwig zu diesen
Künstlern ihre Entstehung oder Erwerbung. Die Gemälde der älteren Maler, insbesondere die der hollän-
dischen und vlämischen Meister des siebzehnten Jahrhunderts, welche in der Schweriner Galerie unser
Interesse in weit höherem Grade fesseln als jene Werke einer schwächlichen Epigonenkunst, erwarb der
Herzog im Kunsthandel. Wiederholt wurde der Kammerdiener von Hafften, auf dessen Kenntnisse der
Herzog sich verlassen konnte, zu Ankäufen von Gemälden in die Niederlande geschickt. Von hier erhielt
der Herzog schriftliche und gedruckte Verzeichnisse von Sammlungen, die unter den Hammer kommen
sollten. Der Herzog sah diese selbst auf's sorgfältigste durch, bezeichnete diejenigen Stücke, welche er
(vorbehaltlich der Prüfung durch einen Sachverständigen) für wünschenswerth hielt, gab eigenhändig
seine Limiten und liess durch seine Cabinetsräthe in ausführlichster Weise Correspondenz darüber
führen. Zu den Agenten, deren er sich zu den Ankäufen bei solchen Versteigerungen bediente, gehörte
unter Anderen der bekannte Kunstschriftsteller J. van Gool im Haag und der Maler G. Dom. Waerdigh
in Hamburg. Denn auch die Hamburger KunstauHionen fanden die gebührende Berücksichtigung.
Die engen Beziehungen von Hamburg zu den Niederlanden, insbesondere zu Amsterdam, brachten im
 
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