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nachzuweisen ist, den Schluss auf eine Beeinssussung aus den Kunstwerken völlig ablehnen, wie uns seine
gläubigen Schüler einreden wollen? Das hiesse der Kunstgeschichte die Axt an die Wurzeln legen
und ihr eine ihrer Hauptaufgaben entziehen! Dass Morelli selbst am wenigsten daran denkt, beweist
jede Seite seines Buches, in dem der Verfasser gerade in der Zusammengruppirung der Künstler nach
gewissen äusseren oder inneren Merkmalen ihrer Gemälde und in der Nachweisung der Einflüsse, welche
die grossen bahnbrechenden Meister auf die Schar der Nachfolger gehabt habe, seine vornehmste
Aufgabe sucht. Sehen wir doch auch in der Kunst unserer Tage, wie gross der Einssuss ist, den ein eigen-
artiger Künstler, zuweilen sogar durch ein einzelnes Kunstwerk, auf seine Zeitgenossen ausübt. Im sech-
zehnten und siebenzehnten Jahrhundert trugen ausserdem noch die Geschlossenheit der Gilden, die
Kunsttradition in den Familien und die handwerksmässige Ausübung der Kunst dazu bei, um ältere
oder bedeutendere Künstler auf ihre Landsleute in der mannigfachsten Weise einwirken zu lassen.
Gerade in Holland hat sich die Entstehung und Fortpflanzung gewisser Richtungen der Kunst, die
Cultivirung bestimmter Kunstgattungen innerhalb derselben Stadt und bestimmter Kreise von Künstlern,
sowie anderseits die weitere Verbreitung derselben über die verschiedensten Orte von Holland durch die
Nähe derselben und das ununterbrochene Hin- und Herwandern der Künstler aus den reichen Funden
der neueren Urkundenforschung in überzeugendster Weise ergeben und hat zahlreiche Vermuthungen
über Einflüsse und Beziehungen des einen Künstlers zum andern zu Thatsachen gemacht. Dies ist auch
gerade für die ältesten Marinemaler, zu denen Anthonissen gehört, der Fall. Die Urkunden weisen den
Marinemaler Anthonissen schon 1625 in der Nähe des Porcellis nach; später heirathet er die Schwester
von dessen Frau; und der beiden Malern verwandte tüchtige Seemaler, der das Monogramm A A (ver-
schränkt) führt, ist jetzt durch Bredius als der Sohn des Hendrick, als der Maler Aernout Anthonissen
nachgewiesen, der um 1660 zu Leiden thätig war.
nachzuweisen ist, den Schluss auf eine Beeinssussung aus den Kunstwerken völlig ablehnen, wie uns seine
gläubigen Schüler einreden wollen? Das hiesse der Kunstgeschichte die Axt an die Wurzeln legen
und ihr eine ihrer Hauptaufgaben entziehen! Dass Morelli selbst am wenigsten daran denkt, beweist
jede Seite seines Buches, in dem der Verfasser gerade in der Zusammengruppirung der Künstler nach
gewissen äusseren oder inneren Merkmalen ihrer Gemälde und in der Nachweisung der Einflüsse, welche
die grossen bahnbrechenden Meister auf die Schar der Nachfolger gehabt habe, seine vornehmste
Aufgabe sucht. Sehen wir doch auch in der Kunst unserer Tage, wie gross der Einssuss ist, den ein eigen-
artiger Künstler, zuweilen sogar durch ein einzelnes Kunstwerk, auf seine Zeitgenossen ausübt. Im sech-
zehnten und siebenzehnten Jahrhundert trugen ausserdem noch die Geschlossenheit der Gilden, die
Kunsttradition in den Familien und die handwerksmässige Ausübung der Kunst dazu bei, um ältere
oder bedeutendere Künstler auf ihre Landsleute in der mannigfachsten Weise einwirken zu lassen.
Gerade in Holland hat sich die Entstehung und Fortpflanzung gewisser Richtungen der Kunst, die
Cultivirung bestimmter Kunstgattungen innerhalb derselben Stadt und bestimmter Kreise von Künstlern,
sowie anderseits die weitere Verbreitung derselben über die verschiedensten Orte von Holland durch die
Nähe derselben und das ununterbrochene Hin- und Herwandern der Künstler aus den reichen Funden
der neueren Urkundenforschung in überzeugendster Weise ergeben und hat zahlreiche Vermuthungen
über Einflüsse und Beziehungen des einen Künstlers zum andern zu Thatsachen gemacht. Dies ist auch
gerade für die ältesten Marinemaler, zu denen Anthonissen gehört, der Fall. Die Urkunden weisen den
Marinemaler Anthonissen schon 1625 in der Nähe des Porcellis nach; später heirathet er die Schwester
von dessen Frau; und der beiden Malern verwandte tüchtige Seemaler, der das Monogramm A A (ver-
schränkt) führt, ist jetzt durch Bredius als der Sohn des Hendrick, als der Maler Aernout Anthonissen
nachgewiesen, der um 1660 zu Leiden thätig war.