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Bötticher, Carl
Der Zophorus am Parthenon: hinsichtlich der Streitfrage über seinen Inhalt und dessen Beziehung auf dieses Gebäude — Berlin, 1875

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https://doi.org/10.11588/diglit.4096#0070
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Schatzmeister, Knabe mit Teppich. Schaffnerin, Mädchen mit Stühlen.

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Ein wollenes Tuch ist wohl zweifellos gebildet, das beweisen die fein ge-
wellten Sahlkanten, aber nicht ein Peploskleid: denn zu diesem Endyma
gehört die kleine Bommel an jedem der Zipfel, welche alle Peplen oder
Mäntel im Bildwerke haben deren Zipfel noch so unzerstört sind wie hier
[oben §. V.]: der grosse Peplos konnte aber doch bloss Nachahmung eines
solchen im Leben gebräuchlichen Kleidungsstückes sein. War der Proces-
sionspeplos auch von einer Grösse und Schwere die nicht erlaubten ihn zu
tragen sondern nur auf einem mächtigen Räderschiffe zu führen, wie hätte
er dann von einem einzigen jungen Burschen spielend getragen und über-
reicht werden können! Dann stimmt ferner seine vermeintliche Uebergabe an
jenen Mann nicht mit dem Bildwerke, denn der Teppich wird vom Manne
dargereicht: sie stimmt nicht mit dem vom Ms selbst Gewollten, denn es
ist keine feierliche geschweige denn eine heilige Ceremonie im Heiligthume
hier dargestellt. Der Peplos wird eine Weihegabc an die Göttin genannt,
deshalb (S 213) zum Tempel. . . der Polias geführt, also vor oder in diesem
Tempel dargebracht: es würde folglich die Darbringung hierselbst wie die
Entgegennahme durch die Priesterin im Namen ihrer Göttin, den bedeutungs-
vollsten, ja den einzigen feierlichen Akt der ganzen Procession bilden; an-
statt dessen soll dieser Feierakt schon vorüber und bloss die geschäftliche
Reponirung des Gewebes im Schatze als bezeichnend für den ganzen Sinn
der Weihegabe gewählt sein, auch zugleich beweisen dass die Procession des-
selben hier geschildert ist. Steht unleugbar der Schatzmeister im Ausgange des
Prone'fon, so können sich auch nur auf der gleichen Stelle die beiden
Mädchen mit der Frau befinden welche ihnen die Stühle zum Hinwegtragen
aus dem Schatze übergeben hat. Stühle mit Polsterkissen belegt sind hier
zuerst von mir als solche erkannt, man giebt das (S. 256) auch zu: wird
aber behauptet (S. 265) dass sie abgeliefert würden, es kämen die Mäd-
chen heran und die Frau nehme der ersten den Sessel ab, so streitet das
gegen den Augenschein; denn das eine der Mädchen, 33, wendet sich be-
reits zum Abgehen hinweg, scheint auch dabei ein Verzeichniss der empfan-
genen Gegenstände in der 1. Hand zu tragen: dem anderen, 32, hat die Frau
eben den Stuhl auf den Kopf gesetzt und hält die Rechte noch an demselben.
Um letztere Geberde als die einer Abnahme durch eine Analogie zu er-
weisen, zieht Ms ein attisches Relief an (Arch. Zeit. XXV, Taf. 226 schlecht
wiedergegeben), wo die Phyle der Nike den Dreifuss abnimmt. Eine atti-
sche Phyle in weiblicher Gestalt wie hier, wäre allerdings eine über-
raschende Entdekkung der Kunstarchäologie, denn bis jetzt hat man irrthüm-
licher Weise geglaubt es sei jede Phyle stets männlich, daher unter ihrem
schlangenbeinigen Heros-Eponymos personificirt, während nur Deinen unter
beiderlei Gestalt erscheinen könnten. In der That beruht dies auch auf
einem Sehfehler: nicht eine Phyle ist in dem berührten Relief vorhanden,
sondern ein geflügelter Nikedämon der im Verein mit einem zweiten
gleichen den Dreifuss hält. Der getreue Abguss dieses kleinen Bildwerkes
 
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