Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
204

VII. Die verschiedenen Lymphen.

Wo die Uebertragung mit Erfolg geschehen ist, da entwickeln
sich oftmals die Impfpocken zur höchsten Güte und Voll-
endung. Sie zeichnen sich vor den Vaccinen aus humanisirter
Lymphe durch ihre beträchtliche (bis zu 6 Linien Diameter gehende)
Grösse, bedeutendere Fülle und Kräftigkeit aus; mitunter haben sie
ein bläuliches, ekchymosirtes Ansehen. Die Entzündung dringt tiefer
in die Cutis und das Zellgewebe ein, und die Umgebung der Pocke
ist in weiterem Umfange verhärtet. Dem entspricht ein stärkeres
Fieber. Der Desiccationsprocess zieht sich in die Länge, und es
bleiben ausgeprägtere Narben zurück. "Wenn gewöhnlich auch keine
Gefahr für den Impfling vorhanden ist, so sind Erysipele hier öfter
beobachtet worden, und werden die Pusteln aufgerissen, so entstehen
leicht secundäre Entzündungen von grösserer Ausbreitung und Tiefe,
die später abscediren, was man früher irrthümlich der directen Ab-
impfung von dem Thier zur Last zu legen pflegte.

Ein anderer Theil der Impfpocken aus originärer Lymphe zeigt
keine Besonderheiten, und in einer Minderzahl der Fälle setzt
dieselbe sogar kleinere Pocken, als der gewöhnliche Stoff.

Eine fernere Eigenthümlichkeit des genuinen Stoffes besteht in
der häufigen Verlangsamung, welche der Process erfährt. Die
Eruption sowol, als die Ausbildung der Pocken verspäten sich, und
der Process erreicht erst am 10. bis 12 Tage seine Höhe. Das
Gegentheil, eine Verfrühung oder Beschleunigung, kommt höchst
selten vor.

Die eben aufgezählten Abweichungen von dem legitimen Bilde
der Vaccination hat Ceely nicht selten auf ein und demselben Arme
beobachtet.

Gern entstehen nachträglich an anderen Körperstellen, in ge-
ringerer oder grösserer Ausbreitung, frieselähnliche Ausschläge, Eichenes
und Roseolen.

Wenn, nach dem Gesagten, die entwickelteren Pusteln, die stär-
keren Allgemeinerscheinungen, und, davon abhängig, eine grössere
Totalaffection zwar zur allgemeinen Charakteristik der directen
Ueberpflanzung der Kuhlymphe gehören, vielleicht auch die Majorität
der Fälle kennzeichnen, so sind sie keineswegs weder ausschliessliche
noch pathognostische Eigenschaften des originären Stoffes. Ganz
dasselbe kann beim Gebrauche der übrigen Lymphen vorkommen,
und andererseits überragen die Pusteln aus originärer Lymphe häufig
diejenigen aus humanisirtem Stoffe nach keiner Richtung hin, und
bleiben sogar unter den letzteren. Mehrere würtembergische Aerzte
 
Annotationen