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Abschnitt VI: Verlauf der Grabung.

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Dr. Möller erbot sich trotz der sommerlichen Hitze diese Vorkampagne, die Ende Juli begann,
zu leiten. Widrige Arbeiterverhältnisse aber, größtenteils hervorgerufen durch die damals in
Ägypten und namentlich in Kairo herrschende schwindelhafte Terrainspekulation, die, wie auf
alles, so auch auf die Arbeitslöhne steigernd wirkte, brachten es mit sich, daß die Grabung
nicht nach Wunsch vorwärts schritt. Als Dr. Möller im Anfang Oktober Ägypten verließ
und ich ihn ablöste, waren eigentlich erst außer dem Allerheiligsten die Opferspeicher und
die Schatzkammern freigelegt. Die großen Funde im Säulenhof begannen gerade am Tage
von Dr. Möllers Abreise. Sie mehrten sich derart und so schnell, daß es bald klar war,
aus der Vorkampagne würde die ausgedehnteste Grabung werden, die die Deutsche Orient-
Gesellschaft bisher in Ägypten durchgeführt hatte. Auf meinen Antrag wurde die Grabung
in Teil el-Amarna für dieses Jahr aufgegeben und die dafür bestimmten Hilfskräfte sogleich
nach Abusir entsandt, dazu noch ein Maler für die sofortige zeichnerische Aufnahme der ge-
fundenen Reliefs. Diese Hilfskräfte fanden alle Hände voll zu tun. Die eigentliche Grabung
mit voller Mannschaft dauerte noch bis in den Dezember. Nach der Teilung der Funde
wurde noch an der definitiven Reinigung des ausgegrabenen Tempels und an der Freilegung
der Nebenanlage, der Königinnenpyramide, gearbeitet. Das Hauptkontingent der in dieser
Zeit noch beschäftigten Arbeiter war mit den Transporten unterwegs. Wegen der Größe der
diesesmal zu transportierenden Stücke war es besonders langwierig, bis die einzelnen Förder-
bahnzüge in der früher1 beschriebenen Weise von der Ausgrabungsstelle bis zum Bahnhof
Bedreschejn kamen. Die Masse der Funde machte vier solche Transporte notwendig. Ver-
zögernd wirkten hier auch noch die in der Mudirije Gise gerade in der Ausführung begriffenen
großen Erdarbeiten zur Umwandlung des Bassinsystems für die Überschwemmung in das Kanal-
system. , Unsere Transportzüge fanden auf jeder der vier Reisen mehr oder weniger große
Unterbrechungen in dem Damme, der vom Wüstenrande bei Saqqara nach Bedreschejn führt.
Jedesmal mußten erst zeitraubende Ausfüllungsarbeiten vorgenommen werden, um diese Stellen
für unsere großen Lasten passierbar zu machen.

Leider gingen diese Transporte nicht ohne zwei schwere Verletzungen von Arbeitern
ab, beide gleichartig durch Unachtsamkeit hervorgerufen. Die Verletzten hatten in beiden
Fällen beim Heranrollen eines der schwerbeladenen Wagen den einen Fuß unter das lose
Ende einer eisernen Schwelle gesetzt, die sich herunterdrückte und ihnen mit ihrer scharfen
Kante den Fuß zerfleischte. Der erste Unfall dieser Art, der sich auf Wüstenterrain ereignet
hatte, heilte gut aus, der zweite, bei dem die Wunde durch Ackererde verunreinigt war,
führte leider zur Amputation des Unterschenkels. Der Verletzte, der als unser „Eisenbahn-
minister" den ganzen Arbeiten des Oberbaus der Förderbahnen vorstand, trägt heute ein
künstliches Bein und kann seiner Tätigkeit wie vordem nachgehen. Beide Verletzte tuen zur-
zeit Wächterdienste beim Grabungshause.

Was sonst an Verletzungen unter den Leuten während der langen Arbeitszeit vorkam,
war nicht von Belang. Das Vorkommen mehrerer Schlangenbisse, darunter auch solche von
sehr giftigen Arten, mag darauf zurückzuführen sein, daß ein großer Teil der Arbeitszeit in
die heißen Monate fiel. In den Wintermonaten hört man von Schlangenbissen nur äußerst
selten. Da in den bei uns vorgekommenen Fällen stets unverzüglich eingegriffen werden
konnte, so traten gesundheitsschädliche Folgen für die Gebissenen nicht ein.

1) Ne-user-re' S. 165.
 
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