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Braun, Joseph
Praktische Paramentenkunde — Freiburg i. Br., 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2048#0018
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ERSTER ABSCHNITT.

DIE PARAMENTE IM ALLGEMEINEN.

ERSTES KAPITEL.

DER STOFF DER PARAMENTE.

1. Die Paramentenstoffe im allgemeinen. Für be-
stimmte Paramente haben die kirchlichen Bestim-
mungen ausdrücklich die Verwendung von
Seide oder Linnen angeordnet. Für andere
bestehen keine derartigen ausdrücklichen Vorschriften,
wenngleich dem bestehenden Brauche nach auch bei
ihnen Linnen bzw. Seide wenigstens bevorzugt wer-
den sollen. Wieder bei andern ist die Wahl des Stoffes
ganz freigelassen, in welchem Falle also ledig-
lich der gute Geschmack und praktische Er-
wägungen die Entscheidung geben müssen.

Wo seidene Stoffe vorgeschrieben sind, können auch
Gold- und Silberstoffe verwendet werden, Goldstoffe
für weiße, rote und grüne, Silberstoffe für weiße; halb-
seidene aber dürfen in diesem Falle nur dann ge-
braucht werden, wenn die seidene Kette den nicht
seidenen Einschuß völlig verdeckt1; dagegen
gelten sie als Ersatz für ganzseidene als unzulässig,
wenn etwa nur die Musterung durch Seide, der ganze
Grund aber durcli Wolle (sog. Imperialstoffe)
oder Linnen (sog. Serolinstoffe) oder gar durch
Baumwolle gebildet wird, es sei denn, daß recht-
mäßige Gewohnheit die Verwertung solcher halb-
seidener Stoffe an Stelle ganzseidener gestattet.

Übrigens sollte man, wo Seide zur Verwendung kom-
men soll, wenn irgendwie möglich, nur reinseidene
Stoffe verwenden. Es ist heutzutage, wo man es ver-
steht , außer der minderwertigen Seide der durch-
brochenen Kokons auch die Abfallseide zu verspinnen,
nicht mehr schwer, um einen mäßigen Preis gute ganz-
seidene Zeuge zu beschaffen. Reinseidene Stoffe sind
immer die dauerhaftesten. Was man mehr für sie aus-
gibt, wird daher reichlich durch die größere Haltbarkeit
aufgewogen. Und was macht es auch zuletzt aus, wenn
man auf das ganze Parament etwas mehr verwendet,
um einen soliden ganzseidenen Stoff zu erhalten?

Gewarnt sei vor sog. Patentsammeten, Es sind
Sammete, bei denen sowohl der Grund wie der
Flor aus Baumwolle besteht, die also mit Seide
nichts zu tun haben. Sie werden von Paramenten-
geschäften vielfach zur Herstellung von Chorkappen
und Levitengewändern gebraucht oder angeboten. Es
werden aber auch Kasein in den Handel gebracht, die
aus ihnen angefertigt sind, obschon es keinem Zweifel

unterliegen kann, daß ihre Verwendung bei Meß-
gewändern auf alle Fälle unstatthaft ist2. Sie wer-
den wohl, um mehr Effekt zu machen, in Nachahmung
des echten sog. geschnittenen Seidensammets, mit ein-
gepreßtem Muster versehen. Man lasse sich weder
durch den schönen Namen „Patentsammet" noch durch
eine etwaige derartige Musterung bestechen.

Man prüft einen Stoff am einfachsten auf Baum-
wolle, wenn man Fäden desselben herauszieht und
verbrennt. Baumwollfäden brennen allmählich ab und
glimmen nach dem Erlöschen der Flamme unter einem
eigentümlichen scharfen Geruch, wie er bei glimmen-
dem Linnen zu entstehen pflegt. Seidenfäden flammen
dagegen schnell auf, glimmen nicht nach, hinterlassen
eine feste Asche, und verbrennen unter üblem Geruch,
wie er beim Verbrennen von Haar und Wolle auftritt.
Eine andere Weise, einen Stoff auf Baumwolle oder
Seide zu prüfen, besteht darin, daß man ihn in Kupfer-
oxydammoniak, eine dunkelblaue mittels Ammoniak
über Kupferdrehspänen hergestellte Flüssigkeit legt,
in welcher sich Baumwolle auflöst. Behält das zu
prüfende Zeug seine Stärke, so besteht es lediglich
aus Seide; wird es mehr oder weniger zerstört, so
war ihm entsprechend Baumwolle beigemischt.

Wollstoffe galten bis vor wenigen Jahrzehnten
noch vielfach fast ohne jede Einschränkung zur Her-
stellung aller Paramente als zulässig, wofern sie nur
von feiner Qualität waren, also z. B. kein gewöhn-
liches Tuch oder Zeug zum Überziehen von Möbeln
darstellten. Seitdem ist es aber durch verschiedene
neuere Entscheidungen der Ritenkongregation außer
Frage gestellt worden, daß zum wenigsten aus Woll-
zeug gemachte Kasein nicht weiter als erlaubt an-
gesehen werden können, und daß demgemäß das
Meßgewand auf keinen Fall mehr aus Wollstoffen her-
gestellt werden darf3. Bezüglich der Levitengewänder
und des Pluviales liegt ein ausdrückliches Verbot
nicht vor. Daß das Kelchvelum nicht aus Wollzeug
angefertigt sein darf, erhellt klar aus den Rubriken
des Römischen Missale4.

2. Der Stoff der einzelnen Paramente. DasHumerale
{Schultertuch) und die Albe müssen aus ungemischtem
Linnen angefertigt werden. Das Cingulum wird am
zweckmäßigsten aus Linnen hergestellt, doch darf es

1 Entscheidung der Ritenkongregation vom 23. März 1882 (Decr. auth. nr. 3543). — - Monitum der Ritenkongr. vom 28. Juli 1881
(Acta S. Sedts XIV 144). Entscheidung vom 22. September 1837 (Decr. auth. nr. 2769). --- 8 Monitum der Ritenkongr. vom 28. Juli
1881 (Acta S.Sedis XIV 144). Entscheidung vom 18. Dezember 1877 und 15. April 1880(B a 1 le ri ni - Pal m ieri, Opus morale IV 791),
vom 17. Dezember 1888 (Analecta Ord. Capuc. VI 102) und 23. Juni 1892 (Decr. auth. nr. 3779). — * Ritus celebr. tit. 1, nr. 1.
 
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