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Braun, Joseph
Praktische Paramentenkunde — Freiburg i. Br., 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2048#0022
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es jetzt noch seine vorige Dichtigkeit, so war die Lein-
wand rein; zerfällt es in einzelne Fäden, oder ist es
zu einem zarten schleierartigen Gewebe geworden, so
war es mit Baumwolle vermischt. Baumwolle löst sich
nämlich in konzentrierter Schwefelsäure rasch auf,
während Leinwand viel länger intakt bleibt.

Eine andere Leinwandprobe besteht darin, daß man
ein an den Rändern ausgefranstes Stück Linnen in
Fuchsin legt, welches man in Spiritus aufgelöst hat,
und dann alsbald herausnimmt und in Salmiakgeist
taucht. Die Leinwandfasern behalten darin ihre rote
Farbe, während die Baum wollfasern sie verlieren.
Bleiben also die Fransen an den Rändern rot, so ist
das Linnen ungemischt, verbleichen sie zum Teil, so
ist es mit Baumwolle vermengt.

Linnen läuft beim Waschen stark ein. Das Ein-
laufen beträgt auf den Meter Länge ca. 5—6 cm,
auf die gewöhnliche Leinwandbreite ca. 3 cm. Man
muß daher bei Paramenten, bei denen es auf eine be-
stimmte Länge ankommt, entsprechend an Stoff zu-
geben, damit sie nach dem Waschen nicht zu klein
sind.

4. Die Musterung der Paramentenstoffe. Zur Her-
stellung der Paramente können, nur wenige Paramente,
wie Humerale, Albe und Superpelliceum ausgenommen,
nicht nur glatte (ungemusterte), sondern auch
gemusterte Stoffe Verwendung finden. Jedoch eignen
sich gemusterte Zeuge nur dann zu Paramenten, wenn
ihre Musterung bestimmte vom Zweck und Charakter
der Paramente geforderte Eigenschaften besitzt. Es
dürften etwa folgende sein:

a) Die Musterung soll nicht auffällig, nicht
sonderbar, nicht bizarr sein. Es ist für Para-
mentenstoffe nicht maßgebend, was die Mode mit ihren
ewig wechselnden Launen und ihrer Sucht nach stets
neuen Effekten will, sondern was die Heiligkeit und
die Erhabenheit des Gotteshauses und des Gottesdienstes
erheischt.

b) Die Musterung soll keine Alltagsmuste-
rung sein, d. i. kein Muster darstellen, wie sie uns
bei Sofas, Stuhlpolstern, Kleidern, Tischdecken, Hand-
tüchern und ähnlichem begegnet. Nicht als ob solche
etwas in sich Verkehrtes wären. Sie können vielmehr
bei profanen Gegenständen eine sehr angemessene und
schöne Verzierung sein. Indessen liegt auf der Hand,
daß nicht alles, was im gewöhnlichen Leben sich hübsch
macht und angebracht ist, auch schon zum Haus des
Herrn und den dort stattfindenden heiligen Hand-
lungen paßt.

Am besten ist es, für die Paramente Zeuge zu be-
vorzugen, in deren Musterung die religiöse
Symbolik zum Ausdruck kommt. Man ist dann
sicher, Stoffe zu verwenden, die hinsichtlich ihres
Musters mit der hohen Bestimmung und der tiefen
Bedeutung der Paramente in vollem Einklang stehen.

Stoffe dieser Art gibt es seit dem W'iederaufblühen
der für kirchliche Zwecke arbeitenden Weberei eine
große Anzahl; es sei z. B. an das Granatapfelmuster
in seinen zahlreichen Ausgestaltungen und Umfor-
mungen, an das Hirschmuster, das Löwenmuster u. a.
erinnert. Es sind Dessins, die zum großen Teil mittel-
alterlichen Stoffen entnommen wurden. Mögen sie
auch ursprünglich nicht alle symbolische Bedeutung
besessen haben, so hat man doch nachgerade mit ihnen
eine solche ganz passend verknüpft.

c) Muster und Grund müssen so beschaffen
sein, daß sie selbst auf einige Entfernung
deutlich ihren Charakter bewahren und als Grund
bzw. als Muster wirken. Es ist nicht nötig, daß
man von jedem Ort der Kirche aus das Muster er-
kennen könne; es wäre das nicht einmal immer schön,
da sonst die Musterung in vielen Fällen zu groß und
derb sein müßte. Anderseits soll es sich aber deut-
lich genug vom Grunde abheben, um noch in mittlerer
Entfernung als das, was es ist, genügend erkannt zu
werden. Es ist durchaus verkehrt, wenn die Muste-
rung so kleinlich, so winzig und so wirr ist, daß
man ganz nahe an das Gewand herantreten muß, um
aus dem Linien- und Farbengewirr, mit dem das-
selbe bedeckt ist, eine bestimmte Zeichnung heraus-
zufinden, oder wenn sie in einem Maße überwiegt, daß
von einem Grunde kaum mehr die Rede sein kann.

d) Das Muster muß in passendem Verhält-
nis zur Größe des Paraments stehen. Je
größer dieses ist und je weitere Flächen es aufweist,
um so mächtiger darf das Muster sein. Ein Dessin,
das für ein Pluviale oder eine Kasel von mittelalter-
lichem Schnitt angemessen ist, paßt darum nicht auch
schon für eine kleine, schmale moderne Kasel, die neben
dem Kreuz für ein großes Muster keinen Raum hat.

Die Musterung sollte allzeit derart sein, daß auf
dem in Frage kommenden Parament das ganze Muster,
und zwar nicht bloß einmal, sondern möglichst zwei-
mal, Platz findet. Die volle Schönheit erhält ein Des-
sin erst durch die Wiederholung. Ein einziger Rap-
port mag auch schon schön, ja sehr schön sein, er
entbehrt indessen, solange er für sich allein dasteht,
eines für die Wirkung eines Ornaments höchst be-
langreichen Elements, des Rhythmus, und mit ihm des
Lebens, des Flusses, des Wechsels. Rhythmus offen-
bart sich uns aber erst durch die Wiederholung. Auf
alle Fälle muß das Muster wenigstens einmal ganz
und vollständig auf dem Paramente vorkommen. Es
sieht geradezu häßlich aus, wenn man von demselben
überall und an allen Enden nichts als Stückwerk sieht.

e) Ein Gewebemuster soll stets den Cha-
rakter eines Flachornaments haben. Das
Dessin eines Stoffes darf keine Zeichnung sein, die uns
einen Gegenstand, so wie er ist, mit seinen Tiefen,
seinen Schatten, seiner Perspektive, kurz plastisch
 
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