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Braun, Joseph
Praktische Paramentenkunde — Freiburg i. Br., 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2048#0113
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Fünftes Kspüol. Praktische Bemerkungen für die Ansführnnj? von Stickereien.

einandergestellt finden. Das ist namentlich bei fabrik-
mäßig mit oder ohne Stickmaschine hergestellten
Stickereien der Fall. Begreiflich, kommt es doch bei
denselben in erster Linie darauf an, in die Augen zu
fallen, Eindruck, wie man sagt, zu machen, weil eben
das bei vielen Käufern leider den Ausschlag gibt.
Ein guter Geschmack wird sich weder von
der wechselnden Tagesmode noch von un-
passenden Nebenabsichten bei der Wahl
der Farben leiten lassen, sondern die oben angedeutete
goldene Mitte einhalten, die sich in die vier
Worte zusammenfassen läßt: frisch, kräftig, har-
monisch, ruhig.

Wichtig für die Farbenwahl ist die Farbe des
Stickgrundes, mit dem vielfach von selbst und
ohne weiteres wenigstens der Leitton der Stickerei
gegeben ist. So paßt z. B. zu einem schwarzen Grund
am besten eine in Gold oder in Silber, Weiß, Silber-
grau und Dunkelgrau, allenfalls unter Benützung
von etwas Violett hergestellte Stickerei, minder eine
in Gelb, gar nicht eine in Rot, Blau, Grün usw. aus-
geführte Stickerei. Bei violettem Grunde empfiehlt
sich für die Stickerei mit Vorzug Gold, Gelb, Hell-
braun, Dunkelbraun samt ein wenig Grün und Hot.
Bei weißem Grunde ist man sehr frei in der Wahl der
Farben; hier kommt es vornehmlich auf eine passende
Verteilung und einen guten Ausgleich der Farben an.
Ahnlich verhält es sich bei Goldgrund und bis zu
einem gewissen Grade beim Ersatz desselben, bei
gelbem Grunde.

Zu Grün und Rot gehören als Ergänzungsfarben
Rot bzw. Grün. Man wird daher auf grünem oder
rotem Grunde zu den Stickereien ausgiebig Rot
bzw. Grün verwerten. Will man für Muster und
Grund dieselbe Farbe gebrauchen, so muß man dem
Grunde einen möglichst tiefen, den Stickereien aber
helle Töne geben und das Muster obendrein durch
eine Goldkontur schärfer vom Grunde abheben. Man
kann übrigens auf rotem und grünem Grunde die
Vorlage auch in Gold oder statt dessen in Gold,
Gelb und Braun ausführen. Auf blauem Grunde wird
man die Stickereien am besten vorherrschend in Gold,
Silber, Hellblau, Weiß und Silbergrau ausführen.

Die Wahl, Verteilung und Ausgleichung der Farben
ist zum großen Teile Sache des Geschmackes,
aber auch Sache der Erfahrung und des Pro-
bierens. In manchen Fällen ist es praktisch, ehe
man zur endgültigen Ausführung schreitet, an ein-
zelnen Stücken die Probe zu machen. Selbst bei far-
bigen Vorlagen kann das nützlich sein, da die Farben
auf solchen wegen der Verschiedenheit des Stick-
materials, das die Vorlage nicht in Rechnung ziehen kann,
bisweilen ganz anders wirken wie auf der Stickerei.

Man achte übrigens nicht bloß auf eine richtige
Wahl und eine harmonische Zusammenstellung der

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verschiedenen Farben, man sorge auch dafür, daß da,
wo verschiedene Töne der gleichen Farbe nebeneinander
zur Anwendung kommen, wie z. B. bei Schattierungen
von Blumen, Gewändern usw., diese leicht und gefällig
ineinander übergehen.

6. Die Wahl der Stickweise. Ebenso wichtig wie
die Farbenwahl ist die Wahl der Stickweise. Dieselbe
ist mit der Vorlage bei weitem nicht immer gegeben.
Vielfach kann derselbe Entwurf in verschiedenen Tech-
niken ausgeführt werden. Einen teilweisen Anhalts-
punkt bietet im einzelnen Falle der Zweck, für den
die Stickerei bestimmt ist. In andern muß die größere
oder geringere Geschicklichkeit der Stickerin die Ent-
scheidung darüber geben, welche der vielen Stick-
weisen zur Anwendung kommen soll. Man wage sich
nie an eine Ausführungsweise heran, die man nicht
hinreichend beherrscht. Fühlt man sich für eine
kompliziertere Technik zu schwach, so sei man be-
scheiden genug, sich mit einer einfacheren zu begnügen.

Wie Stoff und Muster nicht den alleinigen, ja nicht
einmal den ersten Maßstab für den Wert einer Stickerei
abgeben, so auch nicht die Stickweise. Die wahre
Norm zur Beurteilung desselben liegt vielmehr in der
Exaktheit und Sauberkeit, mit welcher die Stickerei
ausgeführt ist. Ein Vorzug, welcher hervorragende
Stickereien stets ausgezeichnet hat, ist die ins kleine
gehende Sorgfalt, mit der sie gearbeitet wurden,
gleichviel ob sie großartige Nadelmalereien oder
schlichte Umrißstickereien darstellen.

Man arbeite mit Ruhe, mit Bedacht, mit Genauigkeit
und Umsicht. Man überlege gleichsam jeden Stich,
den man macht, und schaue beständig zu, wie man
der Vorlage am besten gerecht wird. Es wird dann
ganz gewiß die Arbeit, so einfach sie an sich sein
mag, in ihrer Art ein Kunstwerk.

7. Das Befestigen der Stickfäden. Ist die Stickerei
fertiggestellt, so bleibt noch übrig, die auf der Unter-
seite derselben befindlichen Fadenenden festzu-
machen, damit sich die Stiche nicht wieder auflösen.
Bei Linnenstickereien geschieht das durch bloßes Ver-
nähen derselben. Bei Seidenstickereien pflegt man sich
jedoch damit nicht zu begnügen, sondern außerdem
die ganze Rückseite mit Hilfe eines Pinsels dünn mit
Kleister zu überstreichen, um so für den Fall einer
Beschädigung der Stickerei einer Auflösung auch der
benachbarten Teile möglichst vorzubeugen. Der zur
Verwendung kommende Kleister wird am besten aus
Weizenstärke gemacht und muß möglichst wasserfrei
und frisch sein. Das Überstreichen muß auf dem
Stickrahmen geschehen, und die gekleisterte Stickerei
hat so lange auf demselben zu verbleiben, bis sie völlig
trocken geworden ist. Erst dann darf man sie zur
weiteren Verarbeitung von demselben herunternehmen.

8. Das Waschen von Stickereien. Vom Waschen
kann nur bei Stickereien die Rede sein, die mit
 
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