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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 3): Centrales Nervensystem — Berlin, Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.15176#0024
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Bauelemente des Nervensystems.

L3

Elementarapparat und die beiden Integrationsorte Mittelhirndach und Klein-
hirn mit ihren Leitungsbögen umfaßt. So innig sind Neuhirn und Urhirn zu
einer Einheit verbunden, daß eines ohne das andere nicht tätig sein kann, und
daß Störungen des einen stets die Tätigkeit des anderen beeinträchtigen. ^

Die Unterscheidung von Elementar- und Integrationsapparat gründet sich
in erster Linie auf die morphologischen Gegebenheiten. Im Elementarapparat
sind die Zellen zu Gruppen, „Kernen", vereinigt (Abb. S. 97), in den Inte-
grationsorten in Schichten angeordnet (Abb. S. 89). Der Elementarapparat
erhält seine afferenten Leitungen von einzelnen Stellen der Körperperipherie
aus, in den Integrationsorten strömen Leitungen aus der gesamten Peripherie
zusammen. Der Elementarapparat übersieht sozusagen jeweils nur die ein-
zelnen Teile der Peripherie, der Integrationsapparat die Peripherie in ihrer
Gesamtheit; für den Elementarapparat ist die Peripherie ein Mosaik von Einzel-
teilen, für den Integrationsapparat ein einheitliches Ganzes.

Man nehme die Einteilung in Elementar- und Integrationsapparat nur als
didaktisches Prinzip, als einen Versuch, in die schier unübersehbare Mannig-
faltigkeit von centralen Leitungen und Schaltungen eine Art Rangordnung
zu bringen. Mehr soll auch mit den beiden Bezeichnungen nicht gesagt sein.
Beide Apparate bilden anatomisch und physiologisch die untrennbare Einheit
„Nervensystem". Wie vollkommen diese Einheit ist, geht vielleicht am deut-
lichsten aus der Betrachtung des Getriebes einer motorischen Wurzelzelle hervor,
welches von Elementar- wie Integrationsapparat gebildet wird (vgl. S. 57).

4. Bauelemente des Nervensystems.

Hier sei zunächst Einiges über die Bauelemente des Nervensystems ein-
gefügt, wobei die aus didaktischen Gründen geübte Unterteilung des einheit-
lichen ganzen Nervensystems in ein peripheres und centrales unterbleiben kann.

Das Bauelement des Nervensystems ist da", Neuron: die Nerven- oder Nervenzelle
Ganglienzelle mit ihren Fortsätzen. Um ihre Form und ihren Bau im
mikroskopischen Bilde vollkommen darzustellen, bedarf es verschiedener histo-
logischer Methoden, keine von ihnen liefert für sich ein vollständiges, sondern
immer nur ein Teilbüd. Die folgende Darstellung ist demnach eine Kombination
solcher Teilbilder.

Vor anderen Zellen des Körpers sind die Ganglienzellen ausgezeichnet durch
ihre Größe, welche in Einzelfällen, wenn auch nicht beim Menschen, die Grenze
der Sichtbarkeit" mit bloßem Auge erreichen und überschreiten kann. Der
Größe der Zelle entspricht die Größe des Kernes, der infolge seiner Chromatin-
armut bei den gewöhnlichen Färbungen hell erscheint. Er pflegt ein großes
Kernkörperchen zu enthalten (Abb. S. 14, 15, 16). In dem Plasmaleib
sind zwei für die Nervenzellen charakteristische Elemente eingelagert: die
chromophilen oder Tigroidschollen, nach ihrem Entdecker NissLsche Schollen
genannt, und die Neurofibrillen. Die NissL-Schollen (Abb. S. 14), intensiv
färbbare, unregelmäßig geformte, ihrer Herkunft nach unbekannte Gebilde,
geben durch ihre Größe und Anordnung den verschiedenen Formen von
Ganglienzellen ein sehr verschiedenartiges Bild. Immer ist dieses Bild für
die betreffende Zellart charakteristisch, so charakteristisch, daß aus diesem
Bilde mit großer Sicherheit geschlossen werden kann, daß die Zelle im Augen-
blick der Konservierung normal oder irgendwie verändert war. Denn jede
Schädigung der Zelle, sei sie auch nur kurz vorübergehend infolge überstarker
Inanspruchnahme, führt zu der Veränderung, die man als „staubförmigen Zer-
fall" der NissLschen Schollen1 (Tigrolyse) bezeichnet hat. So eigenartig und un-
abhängig von individuellen Schwankungen ist das Bild der Nissl-Schollen in der
 
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