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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0192
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182

Die Maler.

und Leochares eine Jagd des Alexander für Krateros ausführten. und während
doch sonst der grosse König nicht ausser Beziehung zur Kunst und zu den
Künstlern dasteht? Mir scheint diese "auffallende Thatsache einen tieferen Grund
zu haben. Es war die Idee der Weltherrschaft, welche Alexanders ganzes Wesen
erfüllte; und einzelne Thaten und Schlachten, wenn sie auch genügten, eine
jede für sich ihm unsterblichen Ruhm zu erwerben, hatten für ihn doch nur in
so weit Werth, als sie zur Verwirklichung dieser Idee beitrugen. Daher konnte
es ihm auch in der Kunst nicht sowohl auf die Vergegenwärtigung seiner Thaten,
als auf die Darstellung dessen ankommen, was er durch dieselben geworden
war. Selbst in einem Ehrendenkmal, wie das war, welches er den am Granikos
gefallenen Reitern stiftete, ist die Beziehung auf die einzelne Schlacht zurück-
gedrängt: es sind die Helden, in deren Mitte Alexander seines endlichen Sieges
gewiss sein konnte, welche er dem Lysipp vorzuführen auftrug. Daraus erklärt
sich auch , weshalb gerade Apelles in so hervorragender Weise die Gunst Ale-
xanders zu gewinnen vermochte. Denn die künstlerischen Anschauungen des
Apelles, der überall in seinen Gestalten einen bestimmten Gedanken zu ver-
körpern bestrebt war, kamen den Wünschen des Königs auf das Wunderbarste
1 entgegen; und wir müssten davon wahrhaft überrascht sein, wenn es nicht eine
namentlich in der griechischen Geschichte häufiger wiederkehrende Erscheinung
wäre, dass dieselben Ideen gleichzeitig auf den verschiedensten Gebieten Gel-
tung zu gewinnen suchen. Wie also Alexander selbst sagte: es gebe zwei
Alexander, den unbesiegten Sohn des Philipp und den unnachahmlichen des
Apelles, so wurde dieses Bild des Weltbeherrschers Vorbild und Muster für eine
ganze Klasse, deren Umfang durch die Bezeichnung als historischer Portraits
noch keineswegs erschöpft ist. Denn es gehören dahin auch alle die mehr oder
minder symbolischen Gestaltungen, welche dazu dienen müssen, eine solche
und ähnliche Ideen in ausgedehnterer Weise zu verkörpern. So nähern wir
uns sogar von dieser Seite ganz unerwarteter Weise wieder dem Gebiete der
Mythologie. Aber wenn z. B. die Dioskuren neben Alexander erscheinen, so
sind es nicht jene persönlichen Wesen, welche der kindliche Glaube der alten
Zeit als schützende und helfende Heldenjünglinge verehrte, nicht Götter, wie
die, welche noch in der Schlacht von Marathon gegenwärtig geglaubt wurden,
sondern sie sind die personificirten Begriffe einer höheren Weltordnung, durch
welche auch dem Sterblichen Antheil an derselben verliehen werden soll. Wie
sich aber gerade in diesen Ideen der gänzlich veränderte Geist der Zeit offen-
bart, so dürfen wir auch auf dem Gebiete der Kunst die Werke, welche dem-
selben entsprungen, als die eigenthümlichsten Hervorbringungen der vorliegenden
Periode mit Nachdruck hervorheben.

Mit den bisher betrachteten Kreisen ist jedoch das Gebiet der malerischen
Darstellungen in dieser Periode noch keineswegs abgeschlossen: wir begegnen
vielmehr darin noch einer Reihe von Leistungen. welche unter einem gemein-
samen Gesichtspunkte zusammenzufassen schwerlich gelingen würde. Wenn
wir z. B. oben bemerkten, dass bei der Wahl mancher mythologischer Stoffe
weit mehr ein rein künstlerisches Interesse bestimmend gewirkt habe, als ein
religiöses, so finden wir anderer Seits auch rein künstlerische Aufgaben gelöst,
denen nur die Benennung der Personen fehlt, um sie mit mindestens eben
 
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