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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0191

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IV. Die Maler vom Ende des peloponn. Krieges bis zum Tode Alexanders d. Gr. 181

so verdankt sie dies weniger ihrem religiösen, als ihrem poetischen Gehalte,
ihrem Reichthume an künstlerischen Motiven. Denn wegen welcher Eigen-
schaften werden diese Werke gepriesen? Hier ist es der höchste Reiz der 269
sinnlichen Erscheinung, wie bei der Aphrodite des Apelles, oder der Ausdruck
heroischer Kraft, wie in dem Theseus des Euphranor: dort ist es die Schilde-
rung der mannigfaltigsten Stimmungen der Seele und des Gemüthes; ander-
wärts wieder liegt das Verdienst in den schlagenden Gegensätzen wider-
sprechender Charaktere, in den durch sie herbeigeführten Confiicten und deren
überraschender Lösung: also in Momenten, welche auch unabhängig von der
bestimmten mythologischen Handlung oder Situation wiederkehren könnten.
Wir wollen diese Leistungen keineswegs gering anschlagen ; aber hier, wo es
sicli um ihre historische Würdigung handelt, dürfen wir doch nicht unterlassen,
darauf hinzuweisen, dass von jener tief religiösen Auffassung, von jenem Ethos
der polygnotischen Kunst, wenigstens so weit die uns erhaltenen Nachrichten
reichen, in der vorliegenden Periode keine Spur mehr zu finden ist, ja fast
möchten wir sagen, sich nicht finden kann: denn sie sind überhaupt aus dem
griechischen Leben dieser Zeit verschwunden und haben häufig sogar gerade
entgegengesetzten Geistesrichtungen Platz gemacht. Was über die noQvoygdipoi
mehr angedeutet, als bestimmt ausgesprochen wird, kann immerhin zum Be-
lege dienen, dass die Kunst auch von diesem Wechsel der sitLlichen Anschau-
ungen nicht unberührt geblieben ist. — Minder ungünstig wird derselbe be-
greiflicher Weise auf die eigentliche Historienmalerei eingewirkt haben. Ja
wenn wir an die marathonische Schlacht in der Poikile zurückdenken, in welcher
Götter und Dämonen mit den Sterblichen gemischt erschienen, so dürfte man
fast dieses Gemälde, wenn auch nicht dem Stoffe, so doch der Auffassung nach,
der Klasse der religiös-mythologischen Werke beizählen, und die eigentliche
Historienmalerei überhaupt erst in die spätere Periode setzen. Leider sind nur
unsere Nachrichten zu lückenhaft, um ein umfassendes Urtheil zu begründen.
Ja wenn auch von Pamphilos, Philoxenos, Euphranor, Helena u. a. Schlacht-
bilder und zuweilen in besonders rühmender Weise angeführt werden, so würden
wir doch ohne das uns erhaltene Mosaik der Alexanderschlacht durchaus nicht
im Stande sein, von den Leistungen der Griechen auf diesem Gebiete uns einen
auch nur annähernd richtigen Begriff zu machen. Hier sei zunächst nur darauf 270
hingewiesen, dass trotz so hoher Vortrefflichkeit sich doch nirgends bis an das
Ende der vorliegenden Periode eine eigentliche Schule der Historienmalerei
findet. Was die Sikyonier zu ihrer Förderung beitrugen, ward bei Gelegenheit
des Pausias erwähnt; sonst darf man ihrer ganzen Geistesrichtung nach die
Attiker für noch mehr befähigt halten, darin Grosses zu leisten; und dass sie
wenigstens nicht zurückblieben, zeigt der Ruhm des Schlachtbildes von Euphranor.
Wenn sie sich nicht noch mehr und nicht ausschliesslicher auf diesem Gebiete
bewegten, so hat das seinen Grund offenbar darin, dass Athen als Staat nicht
mehr geneigt und nicht fähig war, die Pflege dieses Kunstzweiges zu über-
nehmen. Dies hätte man nun wohl von Alexander erwarten sollen. Aber ist
es ein blosser Zufall, dass nirgends erzählt wird, Alexander habe von einem
namhaften Künstler die bildliche Darstellung einer seiner Schlachten verlangt,
während doch z. B. Philoxenos eine solche für Kassander malte, und Lysipp
 
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