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Buchner, Ernst; Jantzen, Hans [Honoree]
Das deutsche Bildnis der Spätgotik und der frühen Dürerzeit: [Hans Jantzen zum 70. Geburtstag] — Berlin, 1953

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https://doi.org/10.11588/diglit.31127#0179
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Oberkleid, das der rechte Unterarm zierlich rafft. Auf der braunen Bank die drei hochroten Kissen;
graubräunlicher Boden, graublaue Wand, schwarze Fensteröffnungen, gelbliche Oberlichter.
Ikonographisch ist die Abhängigkeit des Bildnistypus von der etwa 35 Jahre früher entstandenen, welt-
berühmten „Hochzeit des Arnolfini“ des Jan van Eyck (1434) offenbar, doch dürfte der Zusammenhang
eher ein mittelbarer als ein unmittelbarer sein. Wir müssen leider mit dem Verlust einer ganzen Bildnis-
gattung rechnen. Zwischen der Londoner Tafel, auf der der Zauber eines dämmernden, geheimnisvoll we-
benden Innenraumes beschworen ist, und unsrer in trockener, groß dekorativer Flächigkeit aufgebauten
Tafel dürften entwicklungsgeschichtliche Zwischenglieder nicht gefehlt haben. Die Annahme, daß der
Kölner Meister das Arnolfini-Bildnis persönlich gekannt hat, ist nicht notwendig.

Eduard Syndikus hat die Tafel überzeugend als ein um 1470 entstandenes Werk des Meisters der Aache-
ner Schranktüren, eines charaktervollen, farbig intensiven, freilich etwas sturen Schülers des feiner und
edler organisierten Meisters des Marienlebens 1 bestimmt. Die Grenzen seiner Begabung offenbart die
Tafelrückseite mit den beiden, sich sehr wild gebärdenden, aber das Blut wirklich nicht erstarren lassen-
den „Tödlein“ auf der Tafelrückseite, die den Vergleich mit dem nicht lange vorher entstandenen, furcht-
barenTotenpaar derUlmerVerlöbnistafel (Textabb.45) nicht aushalten. Zwar verfehltdie starreParallelität
der sich markant aus dem schwarzen Grund hebenden, schlangenzischenden Schädel nicht eine gewisse
Wirkung, aber den Gesten fehlt der Nerv und die hölzernen Gliedmaßen knarren und klappern in den
puppenhaften Gelenken. Der Vordere mit der Sense schreitet über drei abgeschnittene Köpfe (Greis mit
Kaiserkrone, Mann und Jüngling) hinweg, die den großen Gleichmacher Tod symbolisieren. Der zweite
Leichnam, der die Grabschaufel geschultert hat und mit der Rechten die Armbrust zückt, hebt das Bein
im Tanzschritt. Ein Laken schlingt sich um seinen Schenkel. Die fahlen, gelblichweißen „Hautgerippe“
heben sich von dem Graugrün der Wiesenkuppen, durch die sich in großer S-Kurve der Weg schlängelt.
Die klappernden Leichname erinnern in manchen Zügen an die tanzenden „Tode“ in dem „doten Dantz
mit figuren u.s.w.“ (Ausgabe von A. Schramm, 1921), der früher u. a nach Köln gesetzt, später von E.
Vouillieme (Die deutschen Drucke des 15. Jahrhunderts, S. 52) dem Heinrich Knoblochtzer in Heidel-
berg zugewiesen wurde. Die Verwandtschaft ist jedoch nicht so schlagend, daß ein unmittelbarer Zusam-
menhang angenommen werden müßte.

198. MEISTER DES MARIENLEBENS, Verlöbmsbild.

Eine der reizvollsten Verlöbnis- oder Vermählungs-Darstellungen der deutschen Spätgotik zeigt die Steil-
tafel desMeisters desMarienlebens, die sich früher in derSammlungChillingsworth befand(Abb. 198). In
einer lichtenHügellandschaff mit den charakteristischenFlachkuppen steht sich das modisch gekleidetePaar,
die feinen Köpfe einander zugeneigt, auf einem besteinten Weg gegenüber, an dessen Rand die schönsten
Biumen blühen. Der schlanke Jungherr hat die Hände fromm gefaltet und das rechte Bein zierlich vor-
gesetzt. Er trägt einen kurzen, reich mit kostbarem Pelz verbrämten Rock, aus dem der steife, ver-
nestelte Wamskragen auffaucht, und knapp anliegende, rote Beinlinge mit schwarzen Schnabelschuhen.
Dünnes, braunes Lockenhaar rahmt die typisch gehaltenen Züge. Ein leichter S-Schwung belebt die gra-
zile Gestalt der frommen Dame, die mit der Linken das in der Taille knappe, unten sich weitende, mit
weißem Pelz verbrämte Oberkleid rafft, während die rechte Hand, wie beteuernd, erhoben ist. Sie trägt
ein langes Untergewand aus dunklem Goldbrokat, unter dem die Spitze des linken Schuhs vorlugt. Ohne
den herabschwirrenden Engel, der mit ausgebreiteten Armen die jungen Häupter mit flachen Kränzen

1 Der Versuch von H. Buscb, den Adepten des Marienleben-Meisters aus dem Kölnischen Schulzusammenhang heraus-
zubrechen und ins Niedersächsische zu verpflanzen, ist entschieden zurückzuweisen.

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