Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
10 Einleitung

zu sagen, diese Kunst ist die ihre, und die besten in dieser Art, die ich je sah,
sprachen holländisch.«1 Mit diesen Worten leitete Edward Norgate (um 1581-
1650) in seinem um das Jahr 1650 verfaßten Buch »Miniatura or the art of Lim-
ning« das Kapitel über die Landschaftsmalerei ein.2 Bevor er im folgenden auf
die Praxis dieser Kunst einging, über Farben, Pigmente und deren Verwendung
schrieb, widmete er sich in einigen Sätzen der Geschichte dieser Gattung. Dem
seinerzeit für historische Abhandlungen üblichen Schema folgend, leitet er sei-
nen Exkurs zur Gattungsgeschichte mit einer Betrachtung über den Begriff ein,
den er als niederländisches Lehnwort klassifiziert: »Nun ist Landschaft, oder
Form des Landes, eigentlich nur dasselbe wie das lateinische >Rus, Regiones, Re-
gioncula<, das französische >Paisage< oder das italienische >Paese< und nichts als
ein Bild von >Gle belle vedute< oder schöner Ansichten von Feldern, Städten,
Flüssen, Burgen, Bergen, Bäumen oder welch ein erfreulicher Anblick auch im-
mer dem Auge Vergnügen bereitet.«3 Allen aus den Zeitumständen resultieren-
den Vorbehalten gegen dieses Volk zum Trotz, gestand Norgate zu, daß wohl die
Niederländer den Begriff für die von ihnen erfundene Gattung geprägt hätten.4
Doch auch in den Niederlanden war es zu Norgates Zeit noch nicht allgemein
üblich, ein Gemälde als »Landschaftsbild« anzusprechen.5 Der Terminus »Land-
schaft« hatte sich erst allmählich als Gattungsbegriff der Malerei durchgesetzt
und darf erst seit 1608, nach Erscheinen von van Manders »Schilder-Boeck«, als
allgemein verbreitet angenommen werden.6

Einen guten Eindruck davon, was - beinahe ein halbes Jahrhundert zuvor -
die Zeitgenossen und Landsleute Bruegels mit dem Begriff »Landschaft« ver-
banden, vermittelt der 1573 in Antwerpen edierte »Schatz der niederdeutschen
Sprache«. Dieser »Thesaurus theutonicaa linguae« - so der lateinische Titel - ist
ein dreisprachiges Wörterbuch, das nach Auskunft des Titelblattes nicht nur
einzelne Worte, sondern auch nützliche Redewendungen enthält.7 Derartige po-
lyglotte Lexika, die in der Renaissance weit verbreitet waren, bieten eine Hilfe
bei der Lösung terminologischer Probleme.8 Schlägt man nun in diesem Wör-
terbuch das Wort »Landschaft« - »Landtschap« - nach, findet man gleich fünf
lateinische Übersetzungsvorschläge angegeben: »Regio, eparchia, tractus, terra,
terrenum«.9 »Landschap« bedeutet demnach »Landstrich«, oder allgemeiner:
ein mehr oder weniger ausgedehntes Stück Erdoberfläche. Das Wort ist - der
Übersetzung folgend - ausschließlich geographisch-politisch verstanden, was
nicht zu verwundern braucht, da es in der lateinischen Sprache keinen eigenen
Begriff für die Landschaft als Gattung der Malerei gibt.10 Die Tatsache jedoch,
daß auch die französische Übersetzung in diesem Sinne zu verstehen ist, legt
den Schluß nahe, daß auch der niederländische Begriff »Landschaft« eher »re-
gional« verstanden wurde: »Contree, pais, terre, ou region.«11 Die Übersetzun-
gen, die dieses Wörterbuch anbietet, sind kein Einzelfall. Ganz allgemein be-
zeichnete »landschap« in den Niederlanden des 16. Jahrhunderts primär eine
 
Annotationen