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48 Kosmographie im Zeitalter Bruegels________________

zu umrunden und nach Indien vorzustoßen, um zwei Jahre später in dem Be-
wußtsein zurückzukehren, daß Amerika und der Orient durch einen riesigen
Ozean getrennt waren, bedeutete das Ende des antiken Weltbildes. Die Neuig-
keiten dieser bedeutenden Entdeckungen erreichten Europa in einer Flut ge-
druckter Beschreibungen, die reißenden Absatz fanden.5 So erlebte allein Ame-
rigo Vespuccis (1451-1512) Traktat »Mundus Novus« zwischen seiner ersten
Edition im Jahre 1503 und dem Jahr 1515, als Amerigos Name schon zum Sy-
nonym für die Neue Welt geworden war, über dreißig Auflagen und wurde in
fünf moderne Sprachen übersetzt. Daneben wurden die neuen Entdeckungen
aber auch in einer stetig wachsenden Zahl von Landkarten festgehalten.6

Die christliche Geographie des Mittelalters, deren Ziel es letztendlich war, ei-
nen Beitrag zur Rettung der Seelen zu leisten, hatte noch Jerusalem in den Mit-
telpunkt der Welt gestellt und entwarf eher symbolische denn realistische Land-
karten. Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist die um das Jahr 1235
entstandene Ebstorfer Weltkarte (Abb. 12).7 Jerusalem bildet das Zentrum der
Ökumene, das heißt der gesamten bewohnten Welt, die durch das Mittelmeer
und seine Nebenmeere in drei Erdteile aufgegliedert wird, wobei Asien die ganze
obere Hälfte, Europa den unteren linken Sektor und Afrika den rechten Kreis-
abschnitt einnimmt. Tatsächlich blieben die mittelalterlichen Kenntnisse von
der Ausdehnung und Gestalt der Erde noch über lange Zeit gering.8 Von Asien
kannte man nur Palästina und Kleinasien, von Afrika nur einige Küstenstädte
am Mittelmeer. Mythen und Legenden ersetzten das unzureichende Wissen über
die entfernteren Weltgegenden. Auf den Karten füllte man die Bildflächen, die
mangels Erfahrung leer blieben, mit Phantasie: Auch Antipoden, Menschen-
fresser und monströse Wunderwesen waren Teil der Schöpfung Gottes und wur-
den ihrer Stellung im Heilsplan entsprechend dargestellt.9

Daneben tauchen im 13. Jahrhundert erstmals Seekarten auf, die, im Gegen-
satz zu den »Mappae Mundi«, den Verlauf der Küsten - verhältnismäßig genau
- wiedergaben. Im Verlauf eines Jahrhunderts wurden diese sogenannten Por-
tulane zum unverzichtbaren Hilfsmittel für die Schiffahrt.10 So nahm Heinrich
der Seefahrer, als er mit der Finanzierung einer Expedition entlang der afrika-
nischen Küste begann, einen Geographen in Dienst, um die Kapitäne seiner
Schiffe auszubilden. Dieser Meister Jacome war der Sohn des Geographen Ab-
raham Cresques (1325-1397), der den berühmten Portulan-Atlas von 1375 ge-
schaffen hatte." Dieser Atlas war jedoch, nicht wie man erwarten sollte, eine
Sammlung von Karten, sondern vielmehr ein großer Plan, der das gesamte mit-
telalterliche Wissen über die Welt zusammenfaßte. Er war aus den Schriften des
Marco Polo und aus den Berichten der venezianischen und genueser Kaufleute
kompiliert, die den Levanthehandel betrieben. Er ist eines der beeindruckend-
sten Zeugnisse mittelalterlicher Kartographie, die sich darauf beschränkte, die
bedeutendsten Häfen, Flüsse und Küstenlinien des Mittelmeerraumes darzu-
 
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