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80 Kunst und Kartographie in Krieg und Frieden______________

nebeneinander.8 Ein eigenes Kapitel ist dabei dem Erlernen der nutzbringenden
Kunst des Zeichnens gewidmet und unterrichtet darüber, »Wie der Jung Weiß
kunig, Malen lernet«: »Auf ain zeit höret der Jung weiß kunig, ainen alten
weißen Man reden, dise wort, welcher ain Rechter kriegshauptman, und heer-
fuerer sein wil, der muest malen kundten, und darynnen ainen besonndern ver-
standt haben, dieselbe Redt, behielt der Junge weiß kunig, in seinem hertzen,
Und fieng von stundan lernen zu malen, er lernet darynnen, gar vleyssiclichen,
und als Er kam, das anhueb zu malen, die landtschaften des Ertrichs, da ver-
stundt Er Erst zum tail, die Redt so der alt weiß man gethan het, das ain yedli-
cher großer herr und heerfuerer malen solle kundtn.«9 Wenn der »Weißkunig«
auch erst im Jahre 1775 als gedrucktes Buch erschien, zudem in vieler Hinsicht
als Roman gelten muß, wenn möglicherweise sogar einige der Aussagen, die uns
hier interessieren, erfunden sind oder den tatsächlichen Hergang stark ideali-
sieren, so bleibt der Quellenwert doch bedeutend.10 Denn insgesamt erscheint
das Werk als eine vom Kaiser autorisierte Darstellung eines möglichen und er-
wünschten Erziehungsprogrammes für einen Prinzen des Hauses Habsburg.11
Der Schluß, daß die Kunst der Landschaftszeichnung in der Fürstenerziehung
ihren Platz hatte, erschiene sicher gewagt, hätten sich nicht andere Quellen er-
halten, die diesem speziellen Bereich der Zeichenkunst ebenfalls einen wichti-
gen Stellenwert beimessen. Ein besonders prominentes Beispiel dafür ist der
»Cortegiano« Baidesare Castigliones (1478-1529), ein Buch über die Tugenden,
das Verhalten und die Selbsterziehung des vollkommenen Hofmanns. Castig-
lione, der als Dichter, Hofmann und Diplomat an den Fürstenhöfen der italie-
nischen Hochrenaissance lebte, ließ diese schon zwischen 1508-15 verfaßte
Schrift im Jahre 1528 auf Drängen seiner Freunde im Druck erscheinen. Dem
Werk, das die europäische Adelserziehung und die ihr nachgebildeten Ideale des
Bürgertums bis ins 18. Jahrhundert beeinflußte, war sofort ein großer Erfolg
beschieden. Die Handlung spielt im Jahre 1506 am Hof des Herzogs von Urbi-
no, dessen Hofgesellschaft, zu der Lorenzo de' Medici (1463-1507), Pietro Bem-
bo (1470-1547) und Conte Ludovico de' Canossa (t 1532) gehören, sich all-
abendlich im Gemach der Herzogin versammelt. Dort beschließt man, nach ei-
nem Besuch bei Papst Julius II. in festlicher Stimmung, ein Wechselgespräch
über die Gaben, Kenntnisse und Verhaltensregeln eines vollkommenen Hof-
mannes zu führen. Dies Gespräch, das sich über vier Abende hinzieht, bildet
den Inhalt der vier Bücher des »Cortegiano«.12 Gleich am ersten Abend ist auch
der Nutzen der Zeichenkunst im allgemeinen wie der Landschaftszeichnung im
besonderen ein Thema. So fordert Conte Ludovico vom »idealen Hofmann«,
die Fähigkeit zu zeichnen, »die heute vielleicht als niedrig und dem Edelmann
wenig angemessen erscheint«.'3 Das diese Kunst aber durchaus von Nutzen sei,
erläutert er dann wie folgt: »Es fehlt auch nicht an vielen anderen Mitgliedern
erlauchter Familien, die in dieser Kunst berühmt waren, aus der man, außer daß
 
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