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98 Kunst und Kartographie in Krieg und Frieden

karte - genauer der Globus - verwandt wurde, um einen historischen Moment
ins Bild zu setzen.175 Im Jahre 1494 hatte Papst Alexander VI. die Erde durch ei-
nen hundert Meilen westlich der Azoren gelegenen Meridian in zwei Hälften
geteilt. Alles Land, das westlich dieser imaginären Linie der Entdeckung harrte,
sollte den Spaniern zukommen, alles östlich gelegene Portugal. Eine allegori-
sche Teppichfolge, die vermutlich um das Jahr 1530 in der Brüsseler Manufak-
tur des Georg Wetzeier entstand, veranschaulicht dieses Ereignis als Allegorie
auf die Leistungen der portugiesischen Seefahrer.176 Der zentrale Teppich der
Serie zeigt die unter portugiesischem Einfluß stehende östliche Hemisphäre der
Erde, mit den Kontinenten Europa, Asien und Afrika.177 Die Erdkugel schwebt
frei in den Wolken, flankiert von den Gestalten Jupiters und Junos, die, als ge-
krönte Herrscher, den Meridian weisen.178 Doch nicht nur in eine mythologisch
verbrämte Allegorie konnte die Karte als Aussageträger eingebunden werden,
sie wurde teils selbst zur allegorischen Figur geformt. So gibt es verschiedent-
lich Karten in der Gestalt eines Tieres, eines Bären, eines Adlers, ja selbst einer
Gans, aber auch in der Form menschlicher Figuren.178 Das vielleicht berühm-
teste Beispiel für eine solche Karte ist der sogenannte Leo Belgicus (Abb. 28).179
Ersonnen hatte diese Karte der Österreicher Michael Aitzinger (um 1530-1598),
der den in seinen Augen heroischen Freiheitskampf der Niederländer 1583 in
einem Buch verherrlichte, das er »De Leone Belgico« nannte.'80 Die erste Ab-
bildung, die dieses Buch schmückte, war der von Frans Hogenberg in Kupfer
gestochene »Belgische Löwe«. Nicht nur dem Buch, sondern vor allem auch dem
Bild der Löwenkarte war ein ungeheurer Erfolg beschieden. Sie wurde in un-
zähligen Nachdrucken verbreitet und diente 1632 sogar als Titelblatt, als der Je-
suit Famiano Strada (1572-1649) im Auftrag Alexander Farneses eine Geschichte
des achtzigjährigen Krieges aus katholischer Sicht verfaßte.181

Landkarten - egal ob ansichtig oder planimetrisch projiziert - konnten als
ein Symbol nationaler Identität dienen, konnten territoriale Ansprüche zum
Ausdruck bringen und waren in jeder Weise dazu geeignet, »prächtige Trium-
phe zu verherrlichen«.182

Ein wichtiger Auftraggeber für Kartenbilder, Bilderkarten und andere Dar-
stellungen historischer Ereignisse waren auch die niederländischen Städte.
 
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