Abb. 121. Fragment eines antiken Frieses in Rom, Museo Lateranense.
vn.
MINO DA FIESOLE UND DIE PERIODE DES ÜBERGANGES IN ELORENZ.
[—< s ist der Kunst so wenig als dem Menschen vergönnt, sich lange im Gleich-
JL_J masse aller Kräfte zu bewegen. Leidenschaftliche Gebärde und Bewegung
führt zum theatralischen und das Streben nach einer gesteigerten Lebendigkeit zur
Unruhe und zum Barock. Diesem ewigen, stets wechselnden Kreislauf eines ge-
heimnisvollen Gesetzes, das mit dem Menschen auch die Kunst stets leitet und be-
herrscht, folgt mit geradezu klassischer Konsequenz die Entwicklung der Malerei
und des dekorativen Stiles in der florentinischen Kunst.
Im Grabmal des Niccolö Forteguerra in Pistoja, dem des Jacopo von Portugal,
der monumentalen Grabplatte Papst Sixtus' IV. war es die Plastik, die das ge-
steigerte Verlangen nach Leben und Bewegung bis an die Grenze des Darstellungs-
möglichen zu befriedigen suchte. Diese Vorliebe für Formenreichtum findet zwar
teilweise in der Entwicklung des Grabmals seine Erklärung, doch ist analoges auch
auf den übrigen Gebieten des dekorativen Stiles zu gewahren. Man will die vorange-
gangenen Leistungen der Kunst überflügeln und glaubt dies zumeist durch eine Häu-
fung des Gegenständlichen und der Details zu erreichen. Die Werke au$ Giovanni
della Robbias und Fra Filippo Lippis letzter Periode tragen deutlich die Zeichen des
Verfalis an sich. Im einzelnen wird uns dies an anderer Stelle noch etwas eingehender "
zu beschäftigen haben. Hierinteressiert uns nur die Tatsache, dass die Grabarchitektur
gleichfalls ihrem Verfalle entgegengeht. Der dekorative Stil löst sichgewissermassen
in seine einzelnen Teile auf. Im Forteguerragrabmal war es die Plastik, im Medici-
grabmal die Ornamentik, dem die künstlerische Wirkung zufiel. Bei Mino da
F i e s o I e ist es vor allem der architektonische Gedanke, der seine Grabmals-
kompositionen beherrscht. Dies architektonische WoIIen ruft zwar in Minos
Tabernakeln manchmal geradezu absurde Erscheinungen hervor, aber gerade dieses
seines Strebens halber gewinnt er für uns ein besonderes Interesse.
Mino ist zweifellos die interessanteste Persönlichkeit der sich in ihm ver-
körpernden Uebergangszeit. Die Widersprüche seiner Zeit, der Verfall der alten
und das Anbrechen der neuen Zeit kündet sich in seinen Werken. Es ist bezeichnend,
dass der florentiner Meister seine Tätigkeit bereits zwischen Rom und Florenz teilt
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MINO DA FIESOLE UND DIE PERIODE DES ÜBERGANGES IN ELORENZ.
[—< s ist der Kunst so wenig als dem Menschen vergönnt, sich lange im Gleich-
JL_J masse aller Kräfte zu bewegen. Leidenschaftliche Gebärde und Bewegung
führt zum theatralischen und das Streben nach einer gesteigerten Lebendigkeit zur
Unruhe und zum Barock. Diesem ewigen, stets wechselnden Kreislauf eines ge-
heimnisvollen Gesetzes, das mit dem Menschen auch die Kunst stets leitet und be-
herrscht, folgt mit geradezu klassischer Konsequenz die Entwicklung der Malerei
und des dekorativen Stiles in der florentinischen Kunst.
Im Grabmal des Niccolö Forteguerra in Pistoja, dem des Jacopo von Portugal,
der monumentalen Grabplatte Papst Sixtus' IV. war es die Plastik, die das ge-
steigerte Verlangen nach Leben und Bewegung bis an die Grenze des Darstellungs-
möglichen zu befriedigen suchte. Diese Vorliebe für Formenreichtum findet zwar
teilweise in der Entwicklung des Grabmals seine Erklärung, doch ist analoges auch
auf den übrigen Gebieten des dekorativen Stiles zu gewahren. Man will die vorange-
gangenen Leistungen der Kunst überflügeln und glaubt dies zumeist durch eine Häu-
fung des Gegenständlichen und der Details zu erreichen. Die Werke au$ Giovanni
della Robbias und Fra Filippo Lippis letzter Periode tragen deutlich die Zeichen des
Verfalis an sich. Im einzelnen wird uns dies an anderer Stelle noch etwas eingehender "
zu beschäftigen haben. Hierinteressiert uns nur die Tatsache, dass die Grabarchitektur
gleichfalls ihrem Verfalle entgegengeht. Der dekorative Stil löst sichgewissermassen
in seine einzelnen Teile auf. Im Forteguerragrabmal war es die Plastik, im Medici-
grabmal die Ornamentik, dem die künstlerische Wirkung zufiel. Bei Mino da
F i e s o I e ist es vor allem der architektonische Gedanke, der seine Grabmals-
kompositionen beherrscht. Dies architektonische WoIIen ruft zwar in Minos
Tabernakeln manchmal geradezu absurde Erscheinungen hervor, aber gerade dieses
seines Strebens halber gewinnt er für uns ein besonderes Interesse.
Mino ist zweifellos die interessanteste Persönlichkeit der sich in ihm ver-
körpernden Uebergangszeit. Die Widersprüche seiner Zeit, der Verfall der alten
und das Anbrechen der neuen Zeit kündet sich in seinen Werken. Es ist bezeichnend,
dass der florentiner Meister seine Tätigkeit bereits zwischen Rom und Florenz teilt
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