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Burger, Fritz
Geschichte des florentinischen Grabmals von den ältesten Zeiten bis Michelangelo — Straßburg, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.31916#0269
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der «tektonischen» Behandiungsweise der ältern Zeit scharf vom Grunde sondern,
geschmückt. Zugieich ist der Bohrer häufig und mit Raffinement verwandt. Die
die Seitenteiie füüende Ornamentik zeigt eine neue Komposition
und Form: die edei geschwungene, zieriiche Stengeiranke hat hier die

Akanthus- und Schotenranke verdrängt. In Reinheit und natüriicher Weichheit
kommt ihr vegetabiiischer Charakter zum Ausdruck. An die Steüe der harten
zumeist tektonischen Darsteiiung, tritt eine perspektivisch-iappige Be-
handiung der Biattformen. Auch hier ist es wieder die römische Kaiserzeit,
die das Vorbiid für diese neue Form abgegeben hat, die in Kürze ihren Sieges-
zug durch ganz Itaiien antrat und bezeichnender Weise mit Voriiebe an den Hoiz-
stühien der Kirche und ihren Möbein verwandt wurde. In ihr taucht hier zum
erstenmai die eigentiich kiassische Ornamentform des frühen Cinque-
cento auf. «In dem Augenbiick, wo Maierei und Skuiptur dekorativ wurden,
war die Zeit für die gefäüige schmiegsame Ranke gekommen», sagt Riegi bei

Besprechung der Ornamentik der heüenistischen Kunst/ Dies giit auch für die
Frührenaissance. Anaioge künstierische Erscheinungen zur heüenistischen De-
korationsweise finden sich mehr ais einmai in der Frührenaissance. Auch die

Ornamentik Bramantes wird durch die Formen Minos vorgebiidet.

Der Reiz des Ganzen wurde nach Quattrocentoart durch einen reichen, farbigen
Schmuck erhöht: der Grund des Frieses war in Goid getönt und nur die Sterne,
die ihn zieren, weiss geiassen. Vergoidet waren ferner der bekrönende und stützende
Teii der Deckpiatte, die Verschnürungen des Sarkophages, die Ornamentik der
Träger und Konsoien, ebenso wie vieie Teiie der giatten Gesimse, der Kardinaishut
der Büste und die Verzierung der Kieidung. Die Giiederung der Rückwand war
rötiich getönt.

Mino seibst scheint auf sein Werk sehr stoiz gewesen zu sein, denn er
brachte an augenfäüigster Steüe unter der Büste seine Namenssignatur: «Opus
Mini» an.

Das Monument hat für die Genesis des Grabmais noch eine besondere
Bedeutung. Das ganze Grabmai biidet nur einen monumentaien Rahmen
zu der iebensgrossen Büste des Verstorbenen. So kündet sich weniger im
einzein ais in der Gesamtaniage das Cinquecento an. Das Grabmai des Gino
Capponi, dies Monument Minos und das Grabmai Innocenz' VIII. steüen eine
einzige Linie der Entwickiung dar, in der das Individuum in steigender Betonung
am Grabmai hervortritt. Das Saiutatimonument ist zum erstenmai ein Denkmai
in des Wortes eigentiichster Bedeutung geworden. Das seibstherriiche Indivi-
duum tritt hier sogar im geistiichen Ornate in seine aües übrige ausschiiessenden
Rechte.

i Siehe Riegl, cStilfragen» Beriin 1893, S. 250 und das dort abgebiidete Relief; sehr nahe verwandt ist die
Ornamentik an dem Chorgestüh) von S. Agostino in Perugia und vor ailem der Schmuck jenes herriichen Kamin-
frieses vom Paiazzo Ducaie von Urbino (über diesen siehe Archivio storico deii' artc I, 1895 S. 374 ff.). Neben den
vieien ähnlichen Ornamentgebiiden im Norden wie im Süden wäre auch der anscheinend mit Mino zusammenhängende
Matteo Sanmicheii hier zu nennen, über diesen siehe Archivio storico deil' arte I, !895, S. 315 und 3)6. Die tekto-
nische Behandlungsweise derOrnamentform, ähniich wie sie den Fries des Marzuppinimonumentes ziert, hndet sich
in ganz verwandter Art an Gebäikstücken des pergamenischen Altars. Einige hierfür interessante Stücke befinden
sich im Depot des Pergamonmuseums in Beriin.

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