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Richter, Otto
Programm zum Winckelmannsfeste der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin (Band 45): Über antike Steinmetzzeichen — Berlin, 1885

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https://doi.org/10.11588/diglit.728#0027
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Steinen, die zum Bau des halbrunden Anbaus auf Piazza Fanti verwendet wurden. Da-
gegen finden sie sieh niemals weder auf sogenannten, cyklopischen noch auf den Steinen
der polygonalen Mauern; auch nicht auf den annähernd horizontal geschichteten, kolossalen
Blöcken von Cortona, Ferentino, Tarraco und anderen Städten*). Der Unterschied liegt
auf der Hand. Die Werkstücke aller dieser Mauern sind, soweit sie überhaupt behauen
sind, erst an Ort und Stelle bearbeitet; gerade an den vollendetsten, die in ihrer
Art wahre Meisterwerke sind, den polygonalen Mauern, sieht man, wie die Steine kunst-
voll in einander gepasst sind und dann erst, nachdem der Aufbau schon vollendet, die
glatte Oberfläche hergestellt worden ist. Nach innen zu sind die Steine roh. Bei allen
diesen Mauern ging demnach die Arbeit des Aufbauens mit der des Bearbeiten« der
Steine Hand in Hand: der Steinmetz und der Bauhandwerker sind hier eine Person.
Gerade das Gegenteil aber fand beim Quaderbau statt. Hier gingen die fertigen Werk-
stücke aus der Hand des Steinmetzen in die der Bauleute über. Finden sich daher auf
diesen Steinen, und nur auf diesen Steinen Zeichen, so müssen diese, wie alle anderen
an einem Fabrikat, sei es Ziegel, Münze oder Thonkrug, angebrachten, die Herkunft
anzeigen.

3. Zur Erläuterung dieses freilich an sich klaren Sachvorhaltes möchte ich an
die oben Seite 22 ff. gegebene Beschreibung der Mauern von Perugia erinnern. Es ist
eine gewiss beachtenswerte Erscheinung, dass sich hier Steinmetzzeichen ausschliesslich
auf dem grossen Stadtthor befinden, im ganzen Umkreis der Mauern aber, abgesehen von
einigen verlorenen Quadern an der Ostseite, keine Spur davon vorhanden ist. Der Grund
liegt in der verschiedenen Constructionsweise. Während nämlich die Porta Augusta aus
regelrechten Quadern erbaut ist, ist die Bauart der Mauern, so ähnlich sie dem Quader-
bau sieht, doch eine grundverschiedene. Die darin verarbeiteten Steine sind gar keine
Quadern. Sie gleichen ihnen darin, dass ihre Langseiten rechtwinklig aufeinander
stehen, und sie in gieichmässigen parallelen Lagen übereinander geschichtet sind, aber die
vertikalen Seitenflächen sind ohne Ausnahme schiefwinklig, und zwar sind die Winkel
ganz willkürlich, bald dem rechten sich nähernd, bald stark von ihm abweichend. Solche
Mauern — man beobachtet sie öfter — können eine Art Ubergangsstadium zum echten
Quaderbau sein, wie wir deren mehrere haben, sie können auch eine Lockerung aus den
Fesseln der strengen Gesetze sein, die der Quaderbau auferlegt, so viel ist jedenfalls klar,
dass die in solchem Bau verwendeten Steine im besten Falle nur zum Teil bearbeitet
die Werkstatt verlassen konnten, dass man die Schmalseiten zunächst unbearbeitet Hess,
und der Steinmetz an Ort und Stelle Stein an Stein passte. Nur so ist die gänzliche
Regel- und Gesetzlosigkeit in den Winkeln der Stossfugen zu erklären, die noch

*) Auch auf den aus Quadern ungleicher Grösse erbauten Mauern von Paestum kommen keine
Steinmetzzeichen vor.

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