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so z. 15. die Eingangsfacadon, die Umgebungen der Thüren und Fenster, die Kirchenpfeiler,
besonders aber der Chor. Am sichersten sind die Zeichen zu finden: an den Fenster-
pfosten, an den Wölberippen, besonders denen des Chors, an den Schlusssteinen, an den
Pfeilern und an den Kapitalen. All dieses stimmt wohl auch mit der Thatsache, dass
diese Bauteile die technisch wichtigsten und schwierigsten des Baues sind, welche nur
den tüchtigsten Gesellen anvertraut werden konnten, und dass also zumeist nur diese
dem Hüttenbunde angehört zu haben scheinen, während die Ausführung der eigentlichen
flachen Mauern den sogenannten „Steinhauern" und den „Maurern" überlassen wurde.
Wo diese flachen Mauern auch Zeichen tragen, ist zu vermuten, dass auch die Steinhauer
und die intelligenten Maurer bereits der Steinmetzbrüderschaft angehört haben." Beson-
ders charakteristisch für die Regelung in der Anwendung der Zeichen ist, wie Otte,
Deutsche Baukunst II p. 492 auseinandersetzt, dass die Gesellen an den fertigen Werk-
stücken ihr Zeichen erst einschlagen durften, nachdem Meister oder Parlierer erstere auf ihre
Tüchtigkeit geprüft hatten; für die persönliche Zugehörigkeit der Zeichen aber, dass auf
alten Bauplänen, z. B. denen in der Akademie zu Wien, die Yerteilung der Arbeit an die
Gesellen durch Eintragung ihres Zeichens an den betreffenden Stellen angemerkt wurde. Das
Bild wird dadurch abgerundet, dass dem Aufkommen der Bauhütten im 12. Jahrhundert und
mit ihm dem Auftauchen der Steinmetzzeichen ganz bestimmte politische Bewegungen
zum Anlass dienen. „Gerade in diese Zeit", sagt Schneider a. 0. pag. B „fällt die Befreiung
des dritten Standes von der alten Hörigkeit, und in demselben Masse, als die Spuren
des alten Verhältnisses verschwinden, tauchen überall die Handwerksinnungen auf. Auch
das Baugewerk wurde nunmehr frei von der nach alter Weise erzwungenen Frohnarbeit. . .
In demselben Masse, wie die Arbeit frei wurde, machte sich auch das Lohnverhältnis
geltend, und gewiss wäre es denkbar, dass gerade an die zwischen den Gesellen und dem
Meister stattfindende Abrechnung über gefertigte Arbeit sich der Gebrauch von bestimmten
Marken als Abrechnungszeichen geknüpft hätte."
Man sieht, hier liegen Verhältnisse vor, die im Altertum, zumal im Römischen,
keine Analogien haben, noch haben konnten. Schon dass die mittelalterlichen Zeichen
in Wahrheit Künstlerzeichen sind, unterscheidet sie auf das wesentlichste von den
antiken, die wir allerorten ausschliesslich auf den einfachen Quadern kolossaler Mauer-
bauten gefunden haben.*)
Auch die sociale Stellung des mittelalterlichen Steinmetzen, die in dem persön-
lich ihm zugehörigen Zeichen ihren Ausdruck findet, hat im Altertum keine Analogie.
Wenn Dieulafoy in der oben angeführten Stelle einen Unterschied zwischen dem selbstän-
*) Es existieren ja freilich auch auf Säulentrommeln und anderen Architekturstücken Zeichen und
Buchstaben, eingemeisselt und aufgemalt, aber es ist sicher, dass dies Versatzmarken und keine Stein-
metzzeichen sind.
so z. 15. die Eingangsfacadon, die Umgebungen der Thüren und Fenster, die Kirchenpfeiler,
besonders aber der Chor. Am sichersten sind die Zeichen zu finden: an den Fenster-
pfosten, an den Wölberippen, besonders denen des Chors, an den Schlusssteinen, an den
Pfeilern und an den Kapitalen. All dieses stimmt wohl auch mit der Thatsache, dass
diese Bauteile die technisch wichtigsten und schwierigsten des Baues sind, welche nur
den tüchtigsten Gesellen anvertraut werden konnten, und dass also zumeist nur diese
dem Hüttenbunde angehört zu haben scheinen, während die Ausführung der eigentlichen
flachen Mauern den sogenannten „Steinhauern" und den „Maurern" überlassen wurde.
Wo diese flachen Mauern auch Zeichen tragen, ist zu vermuten, dass auch die Steinhauer
und die intelligenten Maurer bereits der Steinmetzbrüderschaft angehört haben." Beson-
ders charakteristisch für die Regelung in der Anwendung der Zeichen ist, wie Otte,
Deutsche Baukunst II p. 492 auseinandersetzt, dass die Gesellen an den fertigen Werk-
stücken ihr Zeichen erst einschlagen durften, nachdem Meister oder Parlierer erstere auf ihre
Tüchtigkeit geprüft hatten; für die persönliche Zugehörigkeit der Zeichen aber, dass auf
alten Bauplänen, z. B. denen in der Akademie zu Wien, die Yerteilung der Arbeit an die
Gesellen durch Eintragung ihres Zeichens an den betreffenden Stellen angemerkt wurde. Das
Bild wird dadurch abgerundet, dass dem Aufkommen der Bauhütten im 12. Jahrhundert und
mit ihm dem Auftauchen der Steinmetzzeichen ganz bestimmte politische Bewegungen
zum Anlass dienen. „Gerade in diese Zeit", sagt Schneider a. 0. pag. B „fällt die Befreiung
des dritten Standes von der alten Hörigkeit, und in demselben Masse, als die Spuren
des alten Verhältnisses verschwinden, tauchen überall die Handwerksinnungen auf. Auch
das Baugewerk wurde nunmehr frei von der nach alter Weise erzwungenen Frohnarbeit. . .
In demselben Masse, wie die Arbeit frei wurde, machte sich auch das Lohnverhältnis
geltend, und gewiss wäre es denkbar, dass gerade an die zwischen den Gesellen und dem
Meister stattfindende Abrechnung über gefertigte Arbeit sich der Gebrauch von bestimmten
Marken als Abrechnungszeichen geknüpft hätte."
Man sieht, hier liegen Verhältnisse vor, die im Altertum, zumal im Römischen,
keine Analogien haben, noch haben konnten. Schon dass die mittelalterlichen Zeichen
in Wahrheit Künstlerzeichen sind, unterscheidet sie auf das wesentlichste von den
antiken, die wir allerorten ausschliesslich auf den einfachen Quadern kolossaler Mauer-
bauten gefunden haben.*)
Auch die sociale Stellung des mittelalterlichen Steinmetzen, die in dem persön-
lich ihm zugehörigen Zeichen ihren Ausdruck findet, hat im Altertum keine Analogie.
Wenn Dieulafoy in der oben angeführten Stelle einen Unterschied zwischen dem selbstän-
*) Es existieren ja freilich auch auf Säulentrommeln und anderen Architekturstücken Zeichen und
Buchstaben, eingemeisselt und aufgemalt, aber es ist sicher, dass dies Versatzmarken und keine Stein-
metzzeichen sind.