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Richter, Otto
Programm zum Winckelmannsfeste der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin (Band 45): Über antike Steinmetzzeichen — Berlin, 1885

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https://doi.org/10.11588/diglit.728#0042
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42

Es ist kein Zweifel, class diese Zusatzzeichen von anderer Hand herrühren, wie
die grösseren. In den meisten Fällen erkennt man dies auf den ersten Blick an der ver-
schiedenen Ausführung: die Zusatzzeichen sind kleiner, auch gewöhnlich oberflächlicher
eingehauen, und finden sich teils in beliebiger Stellung dicht neben den Steinmetzzeichen,
teils auf einer der anderen Seiten, auch auf den Kopfseiten der Steine, die sonst niemals
Zeichen tragen. Es geht daraus hervor, dass die betreffenden Steine, ehe sie im Bau
verwendet wurden, durch zwei Hände gingen.

Dies sieht nun fast so aus, als ob die beiden verschiedenen Arten von Zeichen,
die einen etwa von den Steinmetzen herrührten, die anderen die Zeichen des Steinbruches
wären. Und dafür scheinen zwei Dinge zu sprechen: 1. dass die Steinmetzzeichen in
Pompei, wenigstens auf zwei Steinarten, dem helleren Tuff und dem Tuff mit Cruma,
von grosser Mannigfaltigkeit sind, 2. eine eigentümliche analoge Erscheinung auf
Ziegeln. Aus CIL. X 8042, 4 e und l ergiebt sich nämlich, dass auf gebrannten Ziegeln
neben dem Stempel öfters Zeichen erscheinen, die vor dem Brand und zwar augenschein-
lich mit dem Finger eingezeichnet sind. A. a. 0. wurde in vier Fällen ein \ beobachtet.
Wie mir Dressel mitteilt, sind derartige Zeichen nicht selten, namentlich auch auf Zie-
geln, die keine Stempel haben. Sie haben sehr einfache Formen, sind aber stets in der-
selben Weise in die noch weiche Masse eingedrückt. Dass diese Zeichen von den Arbei-
tern herrühren, dürfte unzweifelhaft sein; um so zweifelhafter freilich ist, welchen Bezug
auf die Fabrikation der Ziegel sie gehabt haben können.

Gegen die obige Annahme aber spricht ein gewichtiger Umstand. Die betreffen-
den Zusatzzeichen können nicht Zeichen eines Steinbruches sein, da sie ausser auf den
Steinen aus Sarnokalk und den mit e bezeichneten Tuffsteinen auf sämtlichen anderen
Steinsorten gleichmässig vorkommen, und zwar kommen auf a, b und/ obige drei Zusatz-
zeichen teils einzeln, teils zwei nebeneinander auf einer und derselben Quader vor. Nim
habe ich schon Bull. d. Inst. 1885 pag. 187 darauf aufmerksam gemacht, dass auf einem
Teil der Mauern von Tindari sich eine ähnliche Erscheinung findet. Dort haben sämt-
liche Steine ein und dasselbe Zeichen, einen 7—8 cm langen Strich; auf einer Anzahl von
Steinen erscheint wie in Pompei neben demselben ein T in sehr verschiedenen Stellungen.
Möglich, dass wir es hier mit gewissen Controllzeichen zu thun haben, die bei der Zählung
oder Aufstapelung der Steine auf dem Bauplatz an denselben angebracht wurden, aber
zu einem sicheren Resultat ist hier nicht zu kommen. Die Steinmetzzeichen von Pompei
nehmen gerade wegen dieser Erscheinung eine Art von Ausnahmestellung ein, die wohl
geeignet ist, zu weiteren Forschungen auf diesem Gebiet anzuregen.
 
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