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Richter, Otto
Programm zum Winckelmannsfeste der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin (Band 45): Über antike Steinmetzzeichen — Berlin, 1885

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https://doi.org/10.11588/diglit.728#0044
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die Mauern selbst, die er bewundert, sondern die grossartige Kühnheit, Substructioneii
an einem kaum zugänglichen Orte anzulegen. Die Stadtmauer bietet in dieser Hinsicht
nichts Auffallendes. Aus dem Kärtchen Taf. III 2, welches in Ermangelung einer brauch-
baren Aufnahme des Berges der Italienischen Generalstabskarte entnommen ist, ersieht
man nämlich, dass die Stadt (das heutige San Giuliano) die Gestalt eines fast gleich-
schenkligen Dreieckes hatte. Zwei Seiten desselben, die östliche (ab) und die südliche (ac)
sind durch steile Abhänge geschützt, die jede Annäherung, zumal in einer Hohe von
über 750 m, unmöglich machen, und hier findet sich denn auch keine Spur künstlicher Be-
festigung mehr, die übrigens ursprünglich lediglich aus einer Brustwehr bestanden haben
mag. Auf dem äussersten Vorsprung nach Osten (a) lag, wie oben erwähnt, der Tempel.
Nach Nordwesten dagegen dacht sich das Terrain ganz allmählich ab. So stark der
Schutz der Abhänge auf den beiden anderen Seiten ist, hier bietet der Berg nicht die
geringste natürliche Wehr. Eine freistehende, ursprünglich sicher auch von einem Graben
begleitete Mauer zieht sich hier quer über den sanft geneigten Abhang.*) Sie ist durch-
schnittlich 2,20 m breit und beträgt von Abhang zu Abhang in der Länge knapp einen
Kilometer. An ihrer Aussenseite springen 13 viereckige Türme vor, deren durchschnitt-
liche Breite 10 m bei einer zwischen 3,75 und 8,70 m wechselnden Tiefe beträgt. Die
der Porta Spada**) im Norden zunächst liegenden Türme stehen sehr dicht und in ziem-
lich regelmässigen. Abständen von 26—30 m, erstrecken sich also im ganzen über eine
Linie von circa 400 m, während auf der Beststrecke sich im ganzen nur drei Türme
befinden. Neben jedem dieser Türme befand sich ursprünglich eine kleine Pforte:
die meisten sind jetzt verbaut, die wenigen erhaltenen hat Salinas a. 0. publiciert, eine
davon ist sichtbar auf der Skizze Taf. II2. Sie haben sehr geringe Dimensionen
(z. B. 0,83 m Breite, 2,00 m Höhe) und erinnern an die Ausfallspforten neben den aus
Römischer Zeit stammenden Türmen von Pompei***). Dies ist die Mauer, auf der die
von Salinas beschriebenen Steinmetzzeichen sich befinden.

Wer mit Erinnerungen an die grossartigen Befestigungsringe Mittel- und Süditaliens
an dieselbe herantritt, wird sich eines Gefühles der Enttäuschung nicht erwehren können;
nicht w7eil der obere Teil der Mauern und Türme mittelalterlich ist — das findet man
oft genug, und andere Mauern machen trotzdem einen überwältigenden Eindruck; auch
nicht, weil die hier verwandten Steine an Grösse und Mächtigkeit hinter den meisten
uralten Bauten zurückstehen — es ist die besondere Natur des Kalksteins vom Eryx, dass
er nicht in sehr breiten Schichten bricht; auffallend ist vielmehr die eigentümliche Eiigung

*) Sie ist nach einer von Salinas veröffentlichten Skizze des Architekten Augugliaro Taf. III 1
reproduciert.

**) Porta Spada ist ein kleines, in der Anlage antikes Thor von 2,30 m Breite, ebenso Porta del
Carmine; Porta di Trapani ist wohl nicht antik, doch sind auch hier antike Materialien verbaut.

***) Gleiche Thörchen hat auch Hübner in Tarraco gesehen (Mass 1,60 m breit, 3,30 m hoch).
 
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