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— 179 —

und Lukan mit Homer an der Spitze, welche Dante und
Virgil entgegengehen. Jm Vordergrunde links eine Schaar
Männer, Frauen und vor der Taufe verſtorbene Kinder, in
denen das frend- nnd leidloſe Leben der Bewohner der Vor-
hölle mit einer eigenthümlich lieblichen Wemuth geſchildert wird,
rechts Chriſtus' erhabene Geſtalt, der Adam und Eva und die
Erzväter und Patriarchen ans der Vorhölle wegführt. Die
andere Darſtellnng führt uns in das Junere des Schloſſes.
Jn einer prachtvollen Architektur erſcheinen uns die Heroen
des Alterthums in drei verſchiedenen Gruppen, in der Mitte
die Dichter mit Homer, rechts die Philoſophen und Lehrer
der Menſchheit mit Ariſtoteles, und links die Staatsmän-
ner und Krieger mit Julins Cäſar an der Spitze; ganz ein-
ſam an eine Säule gelehnt ſteht Saladins Geſtalt, die ein-
zige, die nicht der alten Zeit angehört. Eine große und ernſte
Kompoſition, die ein genaues Studium Rafael's und Michel-
angelo's bekundet und namentlich an die Anordnung in der
Schule von Athen mehrfach erinnert.) (Schluß folgt.)

JJJ. Miscellen.

vorhergegangenen an; nicht ſelten weiß uns eine Zeichnung einen
oder zwei Geſänge ihrer fortlaufenden Handlung in der gelun-
genſten Weiſe in ein Bild zu bringen. Und um den dichteriſchen
Abſichten nach jeder Seite hin gerecht zu werden, iſt der Künſt-
ler überall bemüht, die vorgeführten hiſtoriſchen Perſönlichkeiten
nach den beſtüberlieferten Bildniſſen wiederzugeben.) Koch's
Darſtellungen zu Dante's Hölle ſind auch wohl die gelungen-
ſten Verſuche, die gemacht wurden, des Dichters Geſtalten in's
Leben zu rufen. Doré's Zeichnungen zur Pariſer Ausgabe
des Jnferno ſind rein auf änßerlichen Effect berechnet; die
klein gehaltenen Figuren treten gegen die landſchaftliche Aus-
ſtattung ganz in den Hintergrund, außerdem werden die Jnten-
tionen des Gedichtes öfter völlig mißverſtanden. Dagegen läßt
ſich den Flaxman'ſchen Umriſſen ein feineres Eingehen auf
den Jnhalt der Dichtung und ein ſchöner Formenſinn nach-
rühmen. Allein aus den Koch'ſchen Zeichnungen ſpricht ein
viel gewaltigerer Geiſt und machen dieſe neben Flaxman's
leicht hingeworfenen Skizzen den Eindruck von Gemälden. Un-
mittelbar nach Koch iſt jedoch Bonaventura Genelli zu nen-
nen, der in ſeinen Umriſſen zu Dante's Komödie einige
Scenen aus der Hölle (im Ganzen 16) mit großer Virtuoſi-
tät zur Darſtellung gebracht hat. **
Wir gehen nun auf einzelne Koch'ſche Darſtellungen über.
Gleich das erſte Blatt, welches den ganzen Jnhalt der Hölle
in einem überſichtlichen Bilde vorführt, zeigt eine ſeltene Fülle
der Phantaſie. ,Minos, zähnefletſchend, gürtet ſich mit ſeinem
Schweife, um dem Sünder den ihm beſtimmten Höllenkreis zu
bezeichnen. Da iſt die Wolluſt, durch die Windsbraut hinauf
und herabgeriſſen; da hält der Geiz, der Wucherer, ſeinen
Geldſack an die Bruſt gedrückt; der Heuchler, in goldener Kutte,
ſteht vor Minos, um ſeinen Ausſpruch zu vernehmen; eine
Kupplerin bekommt von einem gehörnten Teufel die Knute; ein
Vielfreſſer wird von Cerberus angepackt. Gauner, Räuber,
Tyrannen erleiden furchtbare Strafen; Feuerregen, Hagel- und
Schneegeſtöber geben dem Bilde eine ſchreckliche Färbung. Phan-
taſtiſche Tenfelslarven ſind zahlreich zu ſehen, auch Charon mit
ſeinem Nachen. Zuletzt kommen Dante und Virgil auf
Geryon, dem Sinnbilde des Betruges, geritten. ***— Jn
der nächſtfolgenden Zeichnung ſehen wir Dante's Traum, ſeine
Flucht vor den drei Thieren und die ihm Rettung bringende
Erſcheinung Virgil's auf einem Blatte dargeſtellt. Mit den
einfachſten Mitteln übt dieſes Bild eine mächtige Wirkung aus.
Beſonders rührend iſt die abwehrende Bewegung Dante's
gegen die Thiere und der um Hilfe flehende Blick, mit dem er
auf Virgil herabſieht. — Später treffen wir Dante und
Virgil vor der Höllenpforte; Erſterer lieſt, tief ergriffen die
furchtbare Aufſchrift, hinten erblicken wir die Schaar der Fei-
gen, einer Fahne nachlaufend, und Charon, am Ufer des
Acheron anlandend. Gleich darauf Charon's Schiff, dicht
angefüllt mit den Seelen der Verdammten, die mit ihrem
Schreien und Geheul die Luft erfüllen, Charon mit hochge-
ſchwungenem Ruder auf einzelne Sünder einſchlagend, Dante
ſelbſt, von all' dem Jammer überwältigt, ohnmächtig am Bo-
den hingeſtreckt. — Der Vorhölle ſind zwei Darſtellungen ge-
widmet. Auf der einen ſehen wir ſeitwärts auf einem Vor-
ſprung Dante und Virgil in den Limbo hinabſehend, im
Hintergrunde des Blattes, das ſiebenfach umgürtete, hell er-
leuchtete Kaſtell, den Aufenthaltsort der tugendhaften Helden
des Alterthums, vor demſelben die Dichter Hor a, Ov id

1. München, 15. Auguſt. Es iſt bekannt welch enorme
Vermächtniſſe und wahrhaft fürſtliche Dotationen der i. J. 1858
zu Baſel verſtorbene reiche Privatmann Chriſtian Merian-
Burkhardt teſtamentariſch beſtimmte, und daß ihm ſeine
Vaterſtadt gleichfalls die neuerbaute, gothiſche, ſchöne St.
Eliſabethenkirche verdankt. Heute gingen die zwei gro-
ßen Chorfenſter (in einigen Wochen wird das dritte folgen)
nach Baſel ab, deren Herſtellung dem Glasmaler Burckhardt
dahier übertragen war, und wir müſſen geſtehen, daß dieſelben
der Stadt wie dem Künſtler zur Zierde gereichen. Die Cartons
zu den ſchöuen hiſtoriſchen Compoſitionen ans dem Leben Chriſti
ſtammen von Burckhardt und den Malern Fortner und Hau-
ſchild, während die architektoniſche Umrahmung vom Architekten
Marggraff äußerſt glücklich entworfen und ſtylvoll behandelt
wurde. Das Colorit iſt prachtvoll; tief und ſatt leuchtet es
dem Auge entgegen, und erinnert vielfach an eine Gluth, welche
wir an den alten Glasmalereien mit Recht bewundern; zndem
verbreitet ſich über das Ganze eine ſeltene Harmonie der ver-
ſchiedenen Farbentöne, die in reicher Abwechslung nebeneinan-
der ſtehen und doch nicht den Eindruck des Bunten hervorrufen.
Sobald das dritte und letzte Chorfenſter (die in den Schiffen
tragen nur reiche, aber äußerſt geſchmackvolle Deſſins und ſind
ſchon längſt an Ort und Stelle) vollendet iſt, wird Burckhardt
ſich an die Vollendung eines andern großen Glasgemäldes
machen, mit welchem der König den Künſtler für Hohenſchwan-
gan beauftragt hat (A. A. Z.).
2. Jn der Münchener Glasmalerei-Anſtalt ſind
vier der nenen für den Chor des Kölner Domes beſtimm-
ten Fenſter der Vollendung nahe. Als Mittelpunkt der Or-
namentation derſelben erſcheinen die vier Prophete Hoſeas,
Joel, Amos und Abadias. Die Zeichnungen zu dieſen
Figuren, wie zu den ſie umgebenden Muſtern lieferte Herr
Sagſtätter, die Malerei wurde von Herrn Fauſtner aus-
geführt. Um einen möglichſt harmoniſchen Eindruck in der
Umgebung der alten Chorfenſter des Domes zu erzielen, ließ
man zwei dieſer ehrwürdigen Monumente der mittelalterlichen
Kunſt die weite Reiſe nach München machen. Der Erfolg
wird hoffentlich dieſem glücklichen Gedanken entſprechen und die
treffliche Ainmüller'ſche Anſtalt durch dieſen innigen An-
ſchluß an die bewährten Muſter ihrer Kunſt zu der genauen
Beobachtung der feſt beſtimmten decorativen Stylgeſetze zurück-

) Nagler's ,,Künſtlerlexikon'': Artikel Koch.
*) Vie l'8 65 Ilustruzioni zum Inferno ſind uns leider nicht zu-
gänglich geweſen. — Einzelne Seenen aus der Hölle ſind auch dem kürzlich ver-
ſtorbenen Baron Emler in ſeinen drei großen Darſtellungen zur Komödie
gelungen.
*) So Koch's eigene Worte in einem Schreiben an dem oben ange-
führten Orte.

*) Von dieſer Zeichnung ſind zwei Exemplare vorhanden, von denen
das eine mehr ausgefübrt iſt, auch iſt in der Stellung der Perſonen und
in der Architektur Manches geandert.
 
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