Chriſtliche
Kunſtblätter
Organ des chriſtlichen Knnſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)
Nro. 18.
Domine dilexi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.
Deeember 1868.
J. Material- Verwirrung und Verirrungen im Material Zeuge, auf Papier, auf Glas und Porzellan verdrängt mehr
und mehr Wand-, Glas- und andere Malerei.
auf dem Kunſtgebiet unſerer Cage.Ebe weil inan den Eharatter des Materials außer Acht
(Aus dem chriſtl. Kuntblatt.) läßt, ſo entſteht Ein Schleim, Ein Einerlei; es ſieht Einen
nichts mehr individuell aus eigenen Augen an.
Und nun zurück zu den Alten. Aus Stein holte man andere
Formen heraus, wie aus Holz; das Metall formirte ſich un-
ter der Hand des Kunſthandwerkes ganz in ſeiner Art; die
Tugenden eines jeden Materials wußte man zu benutzen und
ins beſte. Licht zu ſetzen, Dehnbarkeit, Zähigkeit, Härte oder
Weichheit. Man verſuchte mit der Nadel nicht dieſelben Effekte
in der Stickerei, wie der Pinſel ſie ermöglichte. Die Weberei
hielt wiederum andere Gränzen inne. Dieſe innere Wahrheit
zwang zur Charakteriſtik und Schönheit, die ganz verſchiedenen
Ausdrucksweiſen brachten eine ſo große Mannigfaltigkeit hervor,
die uns jetzt noch zwingt zur Bewunderung, recht und echt zu
nennen dieſes Alte, im Gegenſatz zu unſeren modernen Dingen.
Es verlohnte wohl der Mühe; recht genau unſeren ver-
ſchieden Abwegen nachzuſpüren, nachzuweiſen, was dieſe Miß-
achtung des Materials alles verrückt, verwirrt und den Ge-
ſchmack des ſogenannten Gebildeten verdorben und unſeren
Wahrheitsſinn auf dem Kunſtgebiete ruinirt.
Jch ſteuere auf ein Feld meiner beſonderen Thätigkeit hin,
auf die Glasmalerei, dieſe edle im Dienſte der Kirche ſo
köſtliche Kunſt, weil gerade in ihr die Geſchmacksverwirrung
ſo augenfällig iſt.
Juſt was an der modernen Glasmalerei ſo gerühmt wird
die Benutzung großer Glastafeln, die auf der Staffelei bemalt
werden, wie man auf Leinwand oder Holz etwa malt, die
Behandlung dieſer Glasgemälde mit maleriſcher Wirkung, Per-
ſpectiven, Abtönungen u. ſ. w., das gehört nach meinem Da-
fürhalten mit zu dieſen, oben erwähnten Geſchmacks- und Ma-
terialsverwirrungen.
Die Erfindung des Glaſes iſt uralt, auch die Kunſt, far-
bige Gläſer herzuſtellen. Jm neunten und zehnten Jahrhun-
dert finden wir die Fenſter der Kirchen bereits mit bunten
Glasmoſaiken gefüllt. Dieſe frühen Epochen entwickelten einen
phantaſtiſchen und farbenprächtigen Ornamentenſchmuck, kaum
eine innere Wandfläche war ungeſchmückt, alſo durfte es die Fen-
ſter-Glasfläche auch nicht ſein. Da jedoch erſt der Spitzbogen-
Wenn wir moderne Kunſtwerke und Erzeugniſſe der Jn-
duſtrie anſchauen, ſo beſchleicht uns oft das Gefühl der Gleich-
gültigkeit, während Gebilde früherer Epochen für uns etwas
Feſſelnderes haben. Die Maſſe der illuſtrirten Zeitſchriften,
Gewerbe- Zeitungen u. ſ. w. ſorgen dafür, daß alles Geſchaf-
fene, alles Erdachte und Dageweſene einem von Kindesbeinen
an geläufig ſei. So ſchrauben ſich die Kunſt und das Kunſt-
handwerk, um anzuziehen, gern in das Uebergeiſtreiche, Nieda-
geweſene, ja faſt Unmögliche hinein. Jn der Malerei und
Sculptur wird es Effecthaſcherei, in der Architektur Ueberla-
dung, in Kunſthandwerk, Tiſchlerei und Goldſchmiedekunſt u. ſ. w.
ungehöriges, willkürliches Durcheinander- Gemengſel vom Ver-
ſchiedenartigſten, in der Weberei und Stickerei übertriebene
Künſtelei, faſt allenthalben Stylloſigkeit und Willkür.
Aber auch ſelbſt da, wo man mit Ernſt darnach trachtet,
einen beſtimmten Sthl zur Geſtaltung zu bringen, wo beſtes
Studium und beſter Wille vorhanden, beſchleicht uns ein ähnli-
ches Unbehagen, wir empfinden, daß etwas Ungeſundes dabei iſt.
Jch glaube, daß dies und der allgemein charakterloſe und
unintereſſante Eindruck, den die meiſten Kunſt- und Jnduſtrie-
Produkte unſerer Zeit, trotz ihrer oft vortrefflichen techniſchen
Beſchaffenheit auf uns machen, eng zuſammenhängt mit der
Materialfrage.
Wir haben ſo viele Surrogate; mit einem Schein-Mate-
rial wollen wir den Eindruck eines echten erzielen, in der Ar-
chitektur mit Cement-Quadern, mit Zink und Gußeiſen, Stein
oder Holz; mit den täuſchenden Holz- und Marmor-Anſtri-
chen denken wir das unedlere Material edel zu machen; die
Holzſchnitzkunſt kommt durch das Auftragen von Gyps und
Steinpappe ganz außer Uebung; Silber und Gold werden durch
Schein-Metalle in Farbe und Gewicht täuſchend nachgemacht,
der falſche Edelſtein hat das, Feuer des echten; ſo verliert man
den Reiz, den ein ſchöner Schmuck, ein ſchönes Gefäß ſeines
werthvollen Materials wegen ſchon auf Einen macht; was
früher Handarbeit war, iſt jetzt Maſchinenprägung; die Kunſt
des Druckens in Farben jeder Art auf jedweden Stoff, auf
Kunſtblätter
Organ des chriſtlichen Knnſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)
Nro. 18.
Domine dilexi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.
Deeember 1868.
J. Material- Verwirrung und Verirrungen im Material Zeuge, auf Papier, auf Glas und Porzellan verdrängt mehr
und mehr Wand-, Glas- und andere Malerei.
auf dem Kunſtgebiet unſerer Cage.Ebe weil inan den Eharatter des Materials außer Acht
(Aus dem chriſtl. Kuntblatt.) läßt, ſo entſteht Ein Schleim, Ein Einerlei; es ſieht Einen
nichts mehr individuell aus eigenen Augen an.
Und nun zurück zu den Alten. Aus Stein holte man andere
Formen heraus, wie aus Holz; das Metall formirte ſich un-
ter der Hand des Kunſthandwerkes ganz in ſeiner Art; die
Tugenden eines jeden Materials wußte man zu benutzen und
ins beſte. Licht zu ſetzen, Dehnbarkeit, Zähigkeit, Härte oder
Weichheit. Man verſuchte mit der Nadel nicht dieſelben Effekte
in der Stickerei, wie der Pinſel ſie ermöglichte. Die Weberei
hielt wiederum andere Gränzen inne. Dieſe innere Wahrheit
zwang zur Charakteriſtik und Schönheit, die ganz verſchiedenen
Ausdrucksweiſen brachten eine ſo große Mannigfaltigkeit hervor,
die uns jetzt noch zwingt zur Bewunderung, recht und echt zu
nennen dieſes Alte, im Gegenſatz zu unſeren modernen Dingen.
Es verlohnte wohl der Mühe; recht genau unſeren ver-
ſchieden Abwegen nachzuſpüren, nachzuweiſen, was dieſe Miß-
achtung des Materials alles verrückt, verwirrt und den Ge-
ſchmack des ſogenannten Gebildeten verdorben und unſeren
Wahrheitsſinn auf dem Kunſtgebiete ruinirt.
Jch ſteuere auf ein Feld meiner beſonderen Thätigkeit hin,
auf die Glasmalerei, dieſe edle im Dienſte der Kirche ſo
köſtliche Kunſt, weil gerade in ihr die Geſchmacksverwirrung
ſo augenfällig iſt.
Juſt was an der modernen Glasmalerei ſo gerühmt wird
die Benutzung großer Glastafeln, die auf der Staffelei bemalt
werden, wie man auf Leinwand oder Holz etwa malt, die
Behandlung dieſer Glasgemälde mit maleriſcher Wirkung, Per-
ſpectiven, Abtönungen u. ſ. w., das gehört nach meinem Da-
fürhalten mit zu dieſen, oben erwähnten Geſchmacks- und Ma-
terialsverwirrungen.
Die Erfindung des Glaſes iſt uralt, auch die Kunſt, far-
bige Gläſer herzuſtellen. Jm neunten und zehnten Jahrhun-
dert finden wir die Fenſter der Kirchen bereits mit bunten
Glasmoſaiken gefüllt. Dieſe frühen Epochen entwickelten einen
phantaſtiſchen und farbenprächtigen Ornamentenſchmuck, kaum
eine innere Wandfläche war ungeſchmückt, alſo durfte es die Fen-
ſter-Glasfläche auch nicht ſein. Da jedoch erſt der Spitzbogen-
Wenn wir moderne Kunſtwerke und Erzeugniſſe der Jn-
duſtrie anſchauen, ſo beſchleicht uns oft das Gefühl der Gleich-
gültigkeit, während Gebilde früherer Epochen für uns etwas
Feſſelnderes haben. Die Maſſe der illuſtrirten Zeitſchriften,
Gewerbe- Zeitungen u. ſ. w. ſorgen dafür, daß alles Geſchaf-
fene, alles Erdachte und Dageweſene einem von Kindesbeinen
an geläufig ſei. So ſchrauben ſich die Kunſt und das Kunſt-
handwerk, um anzuziehen, gern in das Uebergeiſtreiche, Nieda-
geweſene, ja faſt Unmögliche hinein. Jn der Malerei und
Sculptur wird es Effecthaſcherei, in der Architektur Ueberla-
dung, in Kunſthandwerk, Tiſchlerei und Goldſchmiedekunſt u. ſ. w.
ungehöriges, willkürliches Durcheinander- Gemengſel vom Ver-
ſchiedenartigſten, in der Weberei und Stickerei übertriebene
Künſtelei, faſt allenthalben Stylloſigkeit und Willkür.
Aber auch ſelbſt da, wo man mit Ernſt darnach trachtet,
einen beſtimmten Sthl zur Geſtaltung zu bringen, wo beſtes
Studium und beſter Wille vorhanden, beſchleicht uns ein ähnli-
ches Unbehagen, wir empfinden, daß etwas Ungeſundes dabei iſt.
Jch glaube, daß dies und der allgemein charakterloſe und
unintereſſante Eindruck, den die meiſten Kunſt- und Jnduſtrie-
Produkte unſerer Zeit, trotz ihrer oft vortrefflichen techniſchen
Beſchaffenheit auf uns machen, eng zuſammenhängt mit der
Materialfrage.
Wir haben ſo viele Surrogate; mit einem Schein-Mate-
rial wollen wir den Eindruck eines echten erzielen, in der Ar-
chitektur mit Cement-Quadern, mit Zink und Gußeiſen, Stein
oder Holz; mit den täuſchenden Holz- und Marmor-Anſtri-
chen denken wir das unedlere Material edel zu machen; die
Holzſchnitzkunſt kommt durch das Auftragen von Gyps und
Steinpappe ganz außer Uebung; Silber und Gold werden durch
Schein-Metalle in Farbe und Gewicht täuſchend nachgemacht,
der falſche Edelſtein hat das, Feuer des echten; ſo verliert man
den Reiz, den ein ſchöner Schmuck, ein ſchönes Gefäß ſeines
werthvollen Materials wegen ſchon auf Einen macht; was
früher Handarbeit war, iſt jetzt Maſchinenprägung; die Kunſt
des Druckens in Farben jeder Art auf jedweden Stoff, auf