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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 4.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.7150#0043
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Chriſtliche

Kunſtblätter

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg.

(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 17.

Domine dilexi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

November 1865.

J. Haupt- und Nebenſache bei Altarbauten.

daran gewöhnt gehabt, die Erhabenheit des Altartiſches zu
vergeſſen und dieſen in ärmlichſter Weiſe auszuſtatten, während
dem Schmucke des unweſentlichen Aufbaues aller Aufwand an
Geld und Kunſt zugewendet wurde. Man trifft allerdings alte
Flügelaltäre, welche, vielleicht ſeit ihrer Aufſtellung den Platz
nicht verlaſſen haben und noch auf derſelben Menſa ſtehen, wie
am erſten Tage ihrer Verſetzung. Dieſe Altartiſche ſind aber
ſehr einfache, ja ärmliche Gemäuer, mit einer Steinplatte über-
deckt, welche keinen weitern Schmuck zeigt als ein kunſtloſes
Geſimsprofil, oft nur eine einfache Faſe. Höchſt ſelten iſt der
Tiſch ganz von gehauenen Steinen und mit einer Reihe von
Bogenſtellungen und vertieften Blenden verziert, wie z. B. in
der ſchönen Kirche zu Wimpfen i. Th. Es wird jedoch Nie-
mand glauben, die Altäre ſeien in dieſem Zuſtande gebraucht
worden. Die Celebration auf einem ärmlichen Gemäner, wäh-
rend das Unweſentliche mit aller Pracht in die Höhe ſtarrte,
wäre ein Hohn gegen das heilige Opfer geweſen. Wir wiſſen
aber, daß dieſe einfachen Steinbauten überkleidet waren — nicht
etwa mit einer hölzernen Zarge, wie man es heutzutag beliebt,
ſondern mit gewirkten und geſtickten Frontalien von koſtbaren
Stoffen, wo nicht mit Antipendien von getriebenem Silberblech
mit Perlen und Steinen.
Aus der gegenwärtigen Nacktheit ſolcher Altartiſche dürfen
wir alſo nicht ſchließen, daß zu irgend einer Zeit vor unſerm
Jahrhundert die Gedankenloſigkeit ſo weit gegangen wäre, an
den Altarbau den Aufſatz für die Hauptſache, den Tiſch als
Nebenſache anzuſehen. Auch der Zopf hat es nicht ſo weit ge-
bracht. So ſehr er ſeine Aufſätze ins Koloſſale vergrößerte,
ſo hat er doch immer ſein Mögliches gethan, um den Tiſch
durch zierliche Sarkophagform, durch eine Menge von Gliedern
und Profilirungen durch halberhabene Bildwerke oder Malereien
in ſeiner Weiſe auszuzeichnen. Die Verwechslung von Haupt-
und Nebenſache hat zu einer ſo kompleten Begriffsverwirrung
geführt, daß mehr als ein Prieſter, wenn er in der Chorniſche
einer romaniſchen Kirche eine Marmormenſa mit der koſtbar-
ſten Polla d'oro und einem Oberfrontal von getriebenem Sil-
ber mit prächtigen Figuren erblicken würde, entrüſtet ausriefe:
,,Dies iſt ja doch kein Altar! Der reicht nicht einmal bis zu
dem niedern Fenſter hinauf, und hinter ihm ſieht man die
ganze Wand.

Die Verfaſſer der ebenſo lehrreichen als intereſſanten Kunſt-
monographie ,, Studien zur Geſchichte des chriſtlichen Altares''
Stuttgart 1857, Herr Pfarrer Laib und Decan Dr. Schwarz
haben neuerdings in ihrem Archiv für kirchl. Kunſtſchöpfungen
(Bd. XVJJJ. v. J. 1865 H. 3) beachtenswerthe Winke für
Altarbauten veröffentlicht. Wir theilen daraus den Anfang
unter oben ſtehender Rubrik unſern Leſern mit.
Könnte man eine Reihe von Altären der vormittelalterli-
chen Zeit und des Mittelalters bis zum fünfzehnten Jahrhun-
dert betrachten, in dem Zuſtande, wie ſie zu ihrer Zeit waren,
nicht in dem der theilweiſen Entblößung, in welchem jetzt noch
einige zu ſehen ſind, ſo hätte man mit einem Blick die Ueber-
zeugung, was an dem Altar die Alten als Hauptſache be-
trachteten, und damit einen äußerſt fruchtbaren und heilſamen
Grundſatz gewonnen.
Vor der Zeit der ſogenannten Renaiſſance iſt es Nieman-
den eingefallen, etwas anderes als den Altartiſch als das
Weſentliche eines Altars anzuſehen. Der Tiſch auf welchem
das heilige Opfer vollbracht wird, iſt der Altar, alles andere
iſt nur Beiwerk. Das Beiwerk kann auch wegbleiben, ohne
daß die Hauptſache beeinträchtigt wird. Ein Blick in die
,,Studien'' zeigt, in welch beſcheidener und maßvoller Weiſe
das Beiwerk ſich nach und nach zu dem Altartiſch geſellt hat;
Jahrhunderte lang ſtand der Tiſch unter dem überhüllenden
Baldachin (Ciborium). Eine Tafel, das Superfrontale, geſellte
ſich anfangs ſchüchtern dazu, und bot ſich zum Träger des
Kreuzes und der Leuchter an. Jn der ſpätern Periode, wo
die heiligen Reliquien von der Confeſſio unter dem Altare oder
von der Höhlung des Altartiſches, wo ſie bishin geruht hatten,
heraufſtiegen, um in der Höhe über dem Altar und in Ver-
bindung mit dieſem ihren Platz einzunehmen, gelang es dem
feinen Geſchmack der Bildner, dieſe neuen Anſätze, beziehungs-
weiſe Aufſätze ſo zu geſtalten, daß ſie der Würde und Supe-
riorität des Tiſches ſelbſt nicht zu nahe treten. Die Vorläufer
eines prätenſiöſen Altaraufſatzes ſind die Flügelaltäre. Wir
dürfen uns aber durch die Stellung, in welcher wir dieſelben
heute noch an vielen Orten ſehen, nicht zu der Annahme ver-
leiten laſſen, als hätte man bei ihrer Aufſtellung ſich ſchon
 
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