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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 4.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.7150#0015
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Chriſtliche

Kunſtblätter

Organ des chriſtlichen Knnſlvereins der Erzdiöceſe reiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. A0.

Domine dilexi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

April 186s.

I. Die zweite Kirche auf der Reichenau
Zum hl. Georg in Oberzell. *)
Eine halbe Stunde öſtlich von Mittelzell liegt, unweit der
zerſtörten Burg Schopfeln, die obere Zelle — früher Hattozell
genannt — mit der Kirche des hl. Georg.
Hermann der Contracte berichtet in ſeiner Chronik darüber
alſo: ,, Jm Jahr 888 folgte in Augia dem Abt Ruodhoch Hatto,
der 25 Jahre regierte; dieſer hat die Zelle und die Baſilika
des hl. Georg auf der Jnſel gebant.'' Zu dieſer Kirche ſoll
Kaiſer Arnulph viele Güter geſtiftet haben. Wir halten es
für ziemlich wahrſcheinlich, daß Hatto's Bau in dem gegen-
wärtigen Kirchengebäude noch erhalten iſt. Das Aeußere der
Gebäude iſt, wie in Mitterzell, ein roher Feldſteinbau, ſchmuck-
los verlaufen die drei Schiffe, aus ihrer Mitte erhebt ſich ein
dicker Thurm von geringer Höhe mit kurzer vierſeitiger Pyra-
mide bedeckt; nur ein langes Gebäude, das der Weſtſeite der
Kirche vorgelegt iſt, hat in ſeinen gekuppelten kleinen Rund-
bogenfenſtern mit nur 4'' breiten Pfeilerchen dazwiſchen einige
Zier. Ueber das Dach dieſes Gebäudes ragt die halbkreis-
förmige Abſis hervor.
Wieder haben wir hier eine dreiſchiffige Baſilika
mit dem Sanetuarium der Abſis im We ſten.
Während aber im vorher beſchriebenen Münſter die Schiffe
durch Pfeiler geſchieden ſind, ſehen wir hier die Arcaden durch
Säulen getragen, haben alſo eine Säulenbaſilica vor
uns, wovon wir dießſeits der Donau nicht allzuviel Beiſpiele
haben. — Die Dimenſionen ſind hier bedeutend kleiner, als
im Münſter, circa 140 erſtreckt ſich die Stiftskirche im Jnnern
in die Länge, bei 60' Breite. Dieſe Räume bilden aber nicht
ein einheitliches Ganzes, ſondern gehören verſchiedenen Zeiten
an. Betrachten wir zuerſt die alte gegen Weſteu gewendete
Säulenbaſilica. Der Altar hatte im Weſten ſeine Stel-
lung in der halbkreisförmigen Niſche oder Abſis, welche in
der Höhe der Decke des Mittelſchiffes mit einem Halbkuppel-

gewölbe ſchließt, 10' Tiefe und 22' Breite hat. Chorraum
iſt keiner vorhanden, unmittelbar an die Abſis ſtoßen die Schiffe,
das mittlere in die Breite von 27', die Seitenſchiffe von je
15'. Sechs freiſtehend Säulen tragen die Rundbogen-
arkaden, von flacher Leibung, auf welchen die Hechmauer des
Mittelſchiffes ruhen. — Aus niedriger, viereckiger Baſis, nur
von einem Wulſt umgeben (ohne Eckblattzier), ſteigen die run-
den 21' dicken Sänlenſchäfte 9' hoch empor. Die Capitäle,
faſt jedes von dem andern verſchieden, ſind von ganz eigen-
thümlicher, ſelten zu findender Form. Von der Rundform
der Säule zur Quadratform der Deckplatte ein Vermittlungs-
glied bildend, haben dieſe Capitäle doch nichts gemein mit den
dieſe Vermittlung ſo leicht bewirkenden nach unten abgerunde-
ten Würfelcapitälen, ſondern bilden ein ſogenanntes, rundes
Capitäl, das korbförmig, theils in ausgebauchter, theils in ein-
gezogener Form, von der Säulenrundung über einem ſchwa-
chen Wulſt beginnend ſich zur viereckigen Deckplatte aufſchwingt.
Die Höhe dieſer Capitäle beträgt 15'', der Durchmeſſer der
nicht über das Capitäl hervorragenden Deckplatte 2'2'', die
Dicke derſelben 3.',. Bei einem Säulenpaare hat die Deck-
platte 2' 6'' Durchmeſſer bei 6'' Durchmeſſer bei 6'' Dicke,
bei dieſen iſt aber das Capitäl ſelbſt niedxiger. Die eingeritzten
Verzierungen dieſer Capitäle ſind wegen der oftmaligen Ueber-
tünchung derſelben nicht kenntlich. Die Decken ſind flach; die
Fenſterformen uuförmlich und nicht mehr die urſprünglichen.
Zwanzig Schritte von dieſer Säulenbaſilica entfernt in ge-
rader öſtlicher Richtung iſt eine Capelle, die der Sage nach
ſchon vor der vorher beſchriebenen Kirche beſtanden hat; ſpäter
wurde dieſe Capelle überbaut und mit der Baſilika in der
Weiſe verbunden, daß die alte Capelle ſelbſt als Krypta, der
Ueberbau, der ein Qnadrat von 21 Fuß bildet, aber als öſt-
liches Sanctuarium der Baſilika hinzugefügt wurde. Zwi-
ſchen dieſen beiden Theilen ſteht der ebenfalls ſpäter erbaute
Thurm, deſſen unterer Theil den dem Sanctuarium vorge-
legten Chor bildet. Dieſer Chor und Sanctuarium ſind einige
Fuß ſchmäler als das Mittelſchiff der Baſilica. Da die alte,
nur als Krhpta dienende Capelle nicht tief liegt, ſo iſt das
daruber gebaute Sanctuarium und gleich dieſem der Chor um
20 Stufen über dem Fußboden der alten Baſilika erhöht. Zur

*) Auch dieſer Bericht wie jener über das Münſter in Mittelzell aus
der ,,Beilage zur Augsburger Poſt z.'' Nr. 275 vom 5. Deeemb.
1857. Beide Berichte mit ein Paar Zuſätzen ſind auch abgedruckt in
Staiger's: Die Jnſel Reichenau im Unterſee mit ihrer ehemaligen be-
ruhmten Reichsabtei, onſtanz bei Stadler 1860.
 
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