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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 4.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.7150#0016
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— 158 —

ſer erhaltenen Gemälde aber ganz enthüllt. Dieſes Gemälde
ſchmückte den obern Theil der großen weſtlichen Abſis, es ſtellt
dar Chriſtus in ſeiner Herrlichkeit zur rechten des Vaters, über
ihm der heilige Geiſt und um ſie eine zahlloſe Schaar von
Heiligen, weiter unten iſt Chriſtus am Kreuze; die bei dieſen
Gemälden vorkommenden architectoniſchen Ornamente verrathen
den Charakter des modernen Styles, die kräftigen würdigen
Figuren des Gemäldes aber deuten noch auf die alte deutſche
Weiſe; es mag alſo die Entſtehung dieſer Gemälde um das
Jahr 1500 angenommen werden. Die untere Hälfte der
Abſis iſt noch unenthüllt.
Das alte Gebäude, welches an die Weſtſeite der Kirche
anſtoßt und deſſen Erdgeſchoß jetzt eine Art Vorhalle bildet,
gehörte einſt zu der Zelle dem Kloſter oder den Stiftsgebäuden,
die mit der Georgskirche verbunden waren. Das obere Ge-
ſchoß bildete wohl den Capitelſaal oder eine Art Chor für die
Mönche; in dieſen Raum ragte die Halbrundung der Abſis
hinein, die hier auch außen mit Gemälden geziert war;
zwei kleine Fenſter in der Abſis brachten dieſen Saal in die
engſte Verbindung mit dem Sanctuarium der Kirche. Die
Fenſter, jetzt zugemauert, haben ein Säulchen in der Mitte,
deſſen Capitäl erne Nachbildung des antik joniſchen Capitäls
iſt: Die Gemälde im älteſten byzantiniſchen Typus ausgeführt,
ſtellen dar: Chriſtus als den Heiland der Welt, die ganze Figur
umfloſſen von einem eiförmigen Nimbus: dann Chriſtus am
Krenz und andere kaum mehr erkennbare Heilige.
Jm weiten Thurmgebäude hängen 5 Glocken, zum Theil
von beträchtlicher Größe und, mit Ausnahme einer, von bedeu-
tendem Alter. Die größte hat in ſchöner Minnskel die Jn-
ſchrift:,,O rex gloriae christe veni nobis cum pace,'' die
Jahrzahl 1436 und das Bild des heil. Georg. Drei andere
haben ein höheres Alter, wie die ältere Form ihrer Majuskel-
ſchrift beweist: die Jnſchriften lauten wieder: ,,O rex gloriae
ete.:' ,,nos oum prole pia benedioat Virgo Maria, ' und
St. Lux, St. Marsx, St. Matheus, St. oannes.'' Eine der-
ſelben hat bei einem Durchmeſſer von 2½' eine Höhe von 4'.
Die Kirche iſt ziemlich leer, von alter Einrichtung ſieht man
im Oſtchor ein ſchön gothiſches Saeramentshänschen.
Ferner iſt vorhanden ein Proceſſions- oder Capitelkreuz
von Metall, der Chriſtus davan iſt mit einem Rock bekleidet,
die Füße mit zwei Nägeln angeheftet, ganz in alter byzantini-
ſcher Form, die Kreuzenden mit Medaillons geſchmückt; dann
ein Oſtenſorium in Form einer gothiſchen, einfachen Mon-
ſtranz.
Endlich wird im Pfarrhoſe aufbewahrt ein ſehr merkwür-
diges ſilbernes Reliquienkäſtchen mit edlen Steinen
geſchmückt. Es hat die Form eines Häuschens, iſt 7 Zoll lang,
3. Zoll hoch. Seine Flächen ſind durch Säulchen, über
welche etwas gedrückte Rundbogen ſich ſpannen, gegliedert.
Unter dieſen Bogen ſind in getriebener Arbeit zehn Büſten
von Heiligen, die Häupter mit Nimbus umgeben. Die Büſten
ſind ſehr edel und ſchön und haben ganz den romiſchen Cha-
rakter, wie man denſelben auf antiken römiſchen Münzen und
Seulpturen ſieht. Man hält dieſes Käſtchen für ein Werk
des 4ten oder 5ten Jahrhunderts. Die dargeſtellten Heiligen,
weil ohne Symbole, ſind nicht wohl erkennbar. Unter andern
Reliquien in moderner Faſſung rühmt ſich die Georgskirche
auch das Haupt ihres heiligen Patrons zu beſitzen.
Die Kirche, anfangs zum Gottesdienſte für die die Jnſel
allein bewohnenden Monche dienend, wurde ſpäter Stiftskirche
an der ſechs Chorherren mit einem Probſte wohnten, iſt jetzt
Pfarrkirche für die wenigen, den obern Theil der Jnſel be-
wohnenden Seelen.

Anlegung dieſer Stufen wurde wohl der Raum des ehemaligen
fünften Arkadenbogenpaares der Baſilika verwendet, die Arkaden
vermauert, die Seitenſchiffe ebenfalls um denſelben Raum ver-
kürzt und in der Ouerlinie, wo die Stufen im Mittelſchiff be-
ginnen, durch eine Wand abgeſchloſſen. Da nun aber mit
dieſer neuen Einrichtung das alte weſtliche Sanctuarium wahr-
ſcheinlich verlaſſen wurde, ſo kehrte man auch die Altäre in
den Seitenſchiffen gegen Oſten und brachte zu ihrer Aufſtel-
lung in den neuen öſtſichen Querwänden der Seitenſchiffe kleine,
in die Mauer vertiefte Halbkreis-Niſchen an. Der jenſeits
dieſer Querwände fortlaufende Raum der Seitenſchiffe ward
zu Sacriſteien verwendet. Wann dieſe Umwandlung geſchehen,
iſt bei dem Mangel an hiſtoriſchen Nachrichten und charakte-
riſtiſchen Detailformen ungewiß; der gewölbte Chorraum unter
dem Thurme ſpricht für die Uebergangsperiode im 13. Jahr-
hundert; im quadratiſchen Sanctuarium ſieht man ſelbſt Spitz-
bogenfenſter der gothiſchen Periode.
Da wo die Treppe in den Chor anſteigt ſind zwei Ein-
gänge in die Krypta, ohne Stufen ſeͤken ſich dieſe ſchmalen
tonnenförmig überwölbten Gänge N Schritt lang gegen Oſten
abwärts und vereinigen ſich in einem querlaufenden 11 Schritt
langen Gang, von deſſen Mitte aus ein wieder gegen Oſten
laufeber f4 Schritt meſſender Gaug endlich in die Krypta
führt. Dieſe, ſelbſt nur 9 Fuß hoch, beſteht aus drei Schiffen
mit Tonnengewölbe, in welche Kappen einſchneiden, und die
von vier freiſtehenden Säulen getragen werden, bedeckt. Die
Säulen ſtehen nur 5, Fuß von einander. Der ganze Raum
bildet ein regelmäßiges Quadrat von 20 Fuß Durchmeſſer und
wird durch drei Rundbogenfenſter erleuchtet. Eine Baſis der
Säulen iſt nicht ſichtbar, ſie mag durch den erhöhten Erdboden
verdeckt ſein. Die runden Säulen 18 Zoll dick, ſteigen, ſich
etwas verjüngend, 6 Fuß hoch empor. Die Capitäle ſind roh,
verſchiedenförmig und eigenthümlich: ſie ſind mehr mit der Form
eines umgeſtürzten Kegels oder mit einem Keule als mit einem
Würfel zu vergleichen. Aehnliche Capitäle, nur mit reichem
Ornament umkleidet, finden ſich im Dom zu Parenzo aus dem
10. Jahrhundert (vergl. mittelalterliche Knſtdenkmale des
öſterr. Kaiſerſtaates von Dr. Heider rc. JV. Lieferung. Taf.
XJV) und einem Capitäl von der Wartburg (vergl. Puttrichs
Darſtellung der Entwicktung der Baukunſt in den oberſächſiſchen
Landen. Taf. VJJ, 48), dann in der Krypta des Münſters zu
Conſtanz und endlich von derſelben rohen Form in der weſt-
lichen Krypta des Domes in Augsburg. Doch ſind im letzten
Orte die vier Ecken des Capitäls durch ſchärfe Kanten ausge-
prägt, und dadurch mehr der Würfel-Capitätform ähnlich, was
in der Krypta zu Oberzell nur bei den Capitälen der zwei öͤſt-
lichen Säulen der Fall iſt, dieſe beiden ſind hier 20 Zoll hoch
und haben gar keine Deckplatte. Die übrigen haben eine vier-
eckige Deckplatte von 3 Zoll Dicke und 22 Zoll Durchmeſſer,
welcher die 1 Fuß hohen Capitäle in Form eines an den Ecken
abgerundeten und unten abgeſtumpften Kegels zulaufen, ſo von
der Rundung der Säule zur Quadratform der Deckplatte die
Vermittlung bildend. Jn dieſen Capitälformen müſſen wir
entweder eine ſehr frühe unentwickelte Bildungsperiode, oder
einen ſpäter eingetretenen Zerfall der Kunſtentwicklung auf der
Reichenau erkennen, wir glauben das erſtere annehmen zu
dürfen, zumal wir in den älteſten Theilen der Dome zu Eon-
ſtanz und Augsburg ähnliche Bildungen erkennen.
Vor wenigen Jahren noch war die Stiftskirche in ſehr
vernachläßigtem Zuſtand, jetzt iſt ſie Jnnen und Außen weiß
übertüncht, freilich zur argen Beleidigung des Auges und großer
Beeinträchtigung ihres Alters und ihrer Ehrwürdigkeit. Bei
dieſer Gelegenheit wurden auch die Wandgemälde, welche
freilich durch Feuchtigkeit und Alter verdorben, an allen Wän-
den hervorſchauten, neu übertüncht, eines der jüngern und beſ-
 
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