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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Editor]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 15.1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.7193#0005
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Chriſtliche

ſunſtblätter.

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 157.

Domine dilexi decorem domus iuae. Ps. 25, 8.

1876.

leber monumentale Malerei.
Vortrag, gehalten zu Köln in der Wolkenburg im März 1876 von
Dr. A. Reichensperger.

geweihten Tempel ſtets zugleich den Ausgangs- und den
Höhepunkt der künſtleriſchen Thätigkeit, die monumentale
Kunſt den Mittelpunkt, nach welchem hin jedwede Kunſt-
übung gravitirte. So von der Pyramiden-Periode an durch
Babylon, Klein-Aſien, Griechenland, Rom hindurch bis zum
chriſtlichen Mittelalter hin, deſſen Kathedralenwald Alle, die
darauf nur irgend achten, mit Staunen erfüllt, eine Art
Weltwunder bildet. Jn Griechenland hatte bekanntlich das
Pantheon auf der Akropolis, der Tempel der Minerva, der
Schutzgöttin Athens, den Mittelpunkt der dortigen Kunſt-
herrlichkeit gebildet. Die hohe Bedeutung des Tempels zu
Jeruſalem iſt Jhnen Allen bekannt. So wenig wie, nach
dem Zeugniſſe der Weltgeſchichte, die religiöſe Jdee den
Aufſchwung der weltlichen Wiſſenſchaften hemmt, ebenſowenig
beeinträchtigt das Blühen der religiöſen Kunſt das Fort-
kommen der anderen Kunſtzweige. Schon ein oberflächliches
Ueberſchauen der Rath- und Zunfthäuſer des Mittelalters,
ſeiner Paläſte und Burgen, ja der geringfügigſten Hervor-
bringungen ſeiner Jnduſtrie und ſeiner Handwerker müſſen
jeden von Vorurtheilen nicht Geblendeten überzeugen, daß
während des Mittelalters, wie früher in Griechenland, alles,
was die Hand zum Gebrauche ſchuf, durchweg das Gepräge
ächter Kunſt an ſich trug. Die von ſo vielen Seiten her
noch immer hochgeprieſene ſog. Renaiſſance war es, welche
der großen monumentalen Kunſt das Grab bereitet, faſt
könnte man ſagen, welche dieſelbe lebendig begraben hat,
indem ihre Förderer mit der Tradition brachen, das Heiden-
thum in den chriſtlichen Organismus einfügen zu können
glaubten.

Sehr geehrte Anweſende!
Mein Vortrag gilt einem beſondern Zweige der Kunſt.
Jch wäre kein ächter Deutſcher, wenn ich denſelben nicht
mit einer Definition begänne. Was iſt die Kunſt? Ein
ſchon alter Spruch ſagt, alles Definiren ſei ſchwer. Jndeß
will ich doch eine Beantwortung jener Frage wenigſtens
verſuchen. Die Kunſt, antworte ich, iſt eine beſondere, den
Menſchen verliehene Sprache, um Ueberſinnliches, um be-
ſondere Jdeen kundzugeben, welche die ſogenannte Umgangs-
und Schriftſprache nicht auszudrücken vermag. Mag dieſe
Begriffsbeſtimmung nicht in jeder Hinſicht ausreichen, für
das Gebiet der bildenden Künſte jedenfalls hat ſie inſofern
mindeſtens eine negative Bedeutung, als dadurch die ſehr
verbreitete Meinung ausgeſchloſſen wird, die bildenden Künſte,
insbeſondere die Malerei und die Bildhauerei, bezweckten die
Nachbildung der Natur, der materiellen, in die Erſcheinung
fallenden Dinge. Es iſt dies ein wichtiges Moment, auf
welches ich zurückzukommen gedenke. Die Sprache, jedenfalls
die Kunſtſprache, iſt eine nur uns Menſchen von Gott ver-
liehene Gabe. Wohl können die Thiere gewiſſe Empfindun-
gen durch Laute einander mittheilen — die Kunſtſprache
aber bleibt ihnen ſtets fremd, eben weil ſie ſich zu Jdeen
nicht zu erheben vermögen. Es mag höchſtens der Witz eine
gewiſſe Verwandtſchaft zwiſchen unſeren Jngenieuren und
einzelnen Thieren, wie z. B. dem Biber, der Biene und
einzelnen Vögeln herausfinden; von eigentlicher Kunſt iſt
in deren Bildungen nichts wahrzunehmen. So wie die ge-
redete und die geſchriebene Sprache eine gewiſſe Stufenleiter
uns vorführt, von der Umgangsplauderei zu den Pſalmen
und den Hymnen aufſteigend, ſo ſehen wir auch die Kunſt
von der ſog. Genremalerei und dem Stillleben ſich durch
verſchiedene Abſtufungen vom Hüttenbau zur Kathedral-
Architektur, vom Volksliede zu den Oratorien, vom Still-
leben zur großen Hiſtorien-Malerei, zu der feierlichen, hie-
ratiſchen Darſtellung ſich erheben.
Jn allen Kunſtperioden bildeten die dem Gottesdienſte

Was war die monumentale Kunſt und was ſoll ſie ihrem
Weſen nach ſein? Jch habe hier nicht von den Monumenten
ſelbſt, von den großen geſchichtlichen Baudenkmalen zu han-
deln, auch nicht von der dieſelben ergänzenden Sculptur;
ich werde, wie ſchon geſagt, meine Darlegung auf die monu-
mentale Malerei, insbeſondere ſo weit dieſelbe kirchlichen
Zwecken dient, beſchränken. Die Beſtimmung der in Rede
ſtehenden Malerei im Allgemeinen zielt auf die ornamentale
Ausfüllung der Flächen, welche ein Bauwerk darbietet, auf
die Bekleidung und Belebung des architektoniſchen Gerüſtes
 
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