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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 15.1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.7193#0009
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Chriſtliche

Kunſtblätter.

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 158.

Domine dilexi decorem domus iuae. Ps. 25, 8.

1876.

hat, mit Einem Worte, ihr eigenes Stilgeſetz. Sogenannte
Verzeichnungen ſind ihr nicht blos geſtattet, ſondern, unter
Umſtänden, geradezu geboten, weil in vielen Fällen eine an
ſich richtige Zeichnung die Geſammtwirkung beeinträchtigt.
Hätte — um nur ein kleines Beiſpiel zur Erläuterung des
eben Geſagten vorzuführen — der Verfertiger der Farben-
fenſter im hohen Chore unſeres Domes den auf denſelben
dargeſtellten Königsfiguren perſpectiviſch und anatomiſch
correcte Füße gegeben, anſtatt dieſelben in unnatürlicher
Länge ſich ſenkrecht abwärts ziehen zu laſſen, ſo würde man,
ſelbſt vom Triforium aus, davon nichts oder doch nur häß-
liche Klumpfüße haben wahrnehmen können. Aehnlich ver-
hält es ſich mit den Händen und den übrigen Körpertheilen
ſolcher Figuren.

Ueber monumentale Malerei. *)
(Schluß.)
Wenden wir uns nun zu den verſchiedenen zuvor be-
ſprochenen Zweigen der monumentalen Malerei, ſo iſt zu-
nächſt von den Moſaiken zu ſagen, daß deren Compoſition
vor allem aus weiter Ferne klar erkennbar ſein muß, daß
die Großheit und Majeſtät der Figuren, die Strenge der
Linienführung, die Macht von wenigen, aber intenſiven
Farben, ein weithin leuchtender Goldgrund hier im allge-
meinen den Ausſchlag geben. Als ich vor Jahren in den
Dom von Piſa trat, war ich tief erſchüttert, ja wie gebannt,
durch den Anblick der erſten muſiviſchen Darſtellung in
großem Stile, die ich dort zu Geſicht bekam: in der Chor-
niſche auf Goldgrund ein koloſſaler ſitzender Chriſtus, die
eine Hand erhebend, mit der andern ein offenes Buch hal-
tend auf welchem die Worte ſtehen: Ego sum lux mundi.
— Jch bin das Licht der Welt. Einen ähnlichen Eindruck
brachten demnächſt in Rom die Moſaiken in den Chören
der alten Baſiliken auf mich hervor. Da ſind alle kleinen
Mittel verſchmäht. Alles iſt nur auf eine mächtige Total-
wirkung berechnet.
Wenn bei ſolchen Moſaiken, die an das Ueberirdiſche
eindringlichſt mahnende erhabene Einfachheit, das Majeſtä-
tiſche der Compoſition und der Durchführung das Haupt-
moment bildet, ſo haben die Farbenfenſter vorzugsweiſe
durch den verſchiedenartigſten, harmoniſch ſtrahlenden Farben-
glanz auf den Beſchauer zu wirken. Die auf denſelben
darzuſtelleude Perſon oder Begebenheit hat, in gewiſſem
Sinne, nur als von nebenſächlicher Bedeutung zu erſcheinen.
Dem Grundgedanken nach ſind es lichtdurchwirkte, ſozuſagen
mit Diamantſtickerei verzierte Teppiche. So wenig nun,
wie die eigentliche Teppichſtickerei perſpectiviſche Effecte,
Durchblicke, irgend ſtarke Reliefs, überhaupt eine genauere
Naturnachahmnng verträgt, eben ſo wenig darf der Glas-
maler mit dem Staffelei- oder Oelmaler in Concurrenz
treten wollen und nach anatomiſcher, perſpectiviſcher, über-
haupt akademiſcher Correktheit ſtreben. Die Glasmalerei
) Eine beſondere Ausgabe dieſes geiſtreichen Vortrages des be-
rühmten Kunſthiſtorikers iſt bei Bachem in Köln erſchienen, welche
wir beſtens eimpfehlen.

Auf die Behandlung des figurativen Theiles der Farben-
fenſter muß die Größe und die Höhe derſelben, ſowie das
Maß ihrer Entfernung von dem gewöhnlichen Standpunkte
der Beſchauer weſentlich bedingend einwirken. So z. B.
ertragen, ja erfordern die Darſtellungen in den Seitenſchiffen
eine detaillirtere, der Naturwahrheit ſich mehr nähernde
Stiliſirung, als die Figuren auf den Fenſtern der weit
höheren Mittelſchiffe, die in Zimmer- oder Erkerfenſtern an-
zubringenden Glasbilder — die ſogenannte Cabinetsglas-
malerei, welche namentlich in der Schweiz einen hohen
Grad der Vollendung erreicht hatte — eine kaum minder
ſorgfältige Durchführung, als wenn ſie auf Pergament oder
Papier gezeichnet wären.
Unter keinen Umſtänden darf das einem Baue eingefügte
Glasgemälde mit demſelben oder ſeinem Gliederwerk, z. B.
den ein Fenſter theilenden Steinpfoſten, in Conflict gerathen,
ſo daß die Pfoſten einzelne Figuren durchſchneiden, wie dies
u. a. auf dem letzten in München für unſeren Dom ange-
angefertigten ſogenannten Paulusfenſter leider geſchieht.
Von höchſter Bedeutung für die harmoniſche Wirkung
der Farbenfenſter iſt die Qualität des Materiales, welches
dazu verwendet wird. Namentlich gilt dies für hellere
Glasſorten. Dieſelben müſſen ſtark glänzen, ohne durchſichtig
zu ſein, etwa wie eine auf klarem Waſſer beim erſten Froſte
ich bildende Eisſchichte. Wird gewöhnliches, durchſichtiges,
 
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