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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 15.1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.7193#0013
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Chriſtliche

Kunſtblätter.

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freibnrg.
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 159.

Domine dilexi decorem domus iuae. Ps. 25, 8.

1876.

Wie die Berliner Künſtler ,,Feſte'' feiern.

Ein Zeitbild.
Man fragt, warum die Kunſt, ſpeciell die Malerei, in
unſern Tagen ſo unendlich tief ſteht, obſchon die techniſche
Virtuoſität eine ſehr hohe Stufe erreicht hat. Man wundert
ſich über den Mangel großer Schöpfungen von ideellem
bleibendem Werth. Man begegnet in der Wahl der Motive
den größten Geſchmackloſigkeiten und eckelerregenden Ver-
irrungen. Woher das? Fr. Pecht hat jüngſt in ſeinen
Ausſtellungsberichten über Makart, ohne Zweifel einen der
begabteſten Künſtler unſerer Zeit, geſagt: es fehle ihm das
ethiſche Moment und darum haben ſeine Frauenbilder faſt
durchweg etwas Hetärenhaftes. Was hier über Makart
geſagt iſt, das trifft leider auch in größerem Umfange zu.
Daß es aber ſo weit gekommen, das wird begreiflich, wenn
man die modernen Adepten der Kunſt ſich anſieht, an denen
der alte Erfahrungsſatz ſich bewahrheitet, daß mit dem Ent-
ſchwinden der Religioſität auch die ſittliche Qualität der
Jndividuen in Frage geſtellt wird und auf ein tiefes Niveau
fällt. Wenn aber ſolche Depravation unter den Jüngern
der Kunſt platzgreift, dann wird man natürlich vergebens
auf Leiſtungen warten, welche von dem hehren Funken
wahrer Kunſt Zeugniß geben. Solche Gedanken drängen
ſich unwillkürlich auf, wenn man folgenden Bericht der
,,Germ.'' liest. Wenn Dinge wie die geſchilderten in ſolchen
Kreiſen, in einer nach Stand und Beruf hochgeſtellten Ge-
ſellſchaftsklaſſe, in der Blüthe der Jntelligenz möglich ſind
— dann ſtellt ſich von ſelbſt die Frage: Was wird dann
am dürren Holz geſchehen? — Laſſen wir nun der ,,Germ.'
das Wort:

aus der Beſchreibung die herrliche Ruine von Chorin. Wer
je die eupheuumrankten, alten, hohen Mauern der mächtigen
Kirche geſehen, wer je die ſtolze Façade an der Weſtſeite
bewundert, wer je durch die ſtillen, öden, gewölbten Ge-
mächer geſchritten, in denen einſt die frommen und fleißigen
Ciſtercienſermönche gewaltet, wer je auf dem geweihten
Boden ſtand, wo die Vorfahren unſerer Herrſcher im Tode
geruht Jeder wird einen Hauch der heiligen Vergangen-
heit an ſeinem Herzen gefühlt haben, wird ernſt und weh-
müthig geſtimmt worden ſein; denn die Sprache der ver-
witterten Mauern, dieſer leeren Fenſter mit dem zerbröckeln-
den Maßwerk und dem friſchgrünenden Epheu, ſie iſt eine
ſo verſtändliche, ſo eindringliche, daß auch der einfältigſte
Menſch ſie verſteht. Aber ein Ort, der ſelbſt dem blaſir-
teſten Handwerksburſchen ein Gefühl der Ehrfurcht und dem
ſtupideſten Viehknechte eine Ahnung des Erhabenen erwecken
muß — die Berliner Künſtler läßt es kalt — und das in
ſeinem Zerfall ſo ehrwürdige Heiligthum von Chorin iſt
ihnen der geeignete Platz zu einer Orgie. Das Wort iſt
nicht zu hart; es iſt noch zu milde. Hier handelt es ſich
nicht um eine plötzliche Ausſchreitung erregter Leidenſchaften,
nicht um Thaten einer übermüthigen Laune, die ſchnell ge-
than und ſchnell bereut ſind; es handelt ſich um ein mit
kalter Ueberlegung vorher feſtgeſetztes Programm, um müh-
ſam und lange vorbereitete Darſtellungen, um ſtundenlang,
in der freien Gottesnatur, öffentlich durchgeführte Scenen
der platten Gemeinheit. Zum Beweiſe für dieſes Urtheil
genügt die einfache Erzählung der Thatſachen, wie ſie uns
von Augenzeugen verbürgt ſind.
Das am Tage des Solſtitiums ſtattfindende Sommer-
feſt der Berliner Künſtler vereinigte etwa 150 Künſtler mit
etwa 100 Gäſten in der Kloſterruine. Nach einer etwa
anderthalbſtündigen Wanderung durch einen herrlichen Wald
war die Geſellſchaft angelangt und hatte ſich an den
in der Kirche aufgeſchlagenen Tiſchen niedergelaſſen, um
ſich durch eine Taſſe Kaffee zu erfriſchen. Da, in hellen
Lichte des Nachmittags, als Alle ioch ganz nüchtern
waren, wurde der verſammelten Künſtlerſchaft auf dem
offenen Kloſterhofe von Chorin, im Beiſein der herbei-
geeilten Dorfbevölkerung folgendes Schauſpiel des ,,Narren-

Alle, welche zarte Nerven haben, bitten wir, das Nach-
ſtehende nicht zu leſen. Es iſt uns fürwahr keine ange-
nehme Pflicht, die Rohheit und Gemeinheit an den Pranger
zu ſtellen, und das Bild, das ſich den Augen des Leſers
zeigt, iſt ſchmutzig und ekelerregend. Aber da es zur Züch-
tigung des ſcandalöſen Unfugs kein anderes Mittel gibt,
als ihn öffentlich zu brandmarken, ſo müſſen wir den wider-
lichen Stoff behandeln.
Viele inſerer Leſer kennen perſönlich — ſicherlich alle
 
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