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wie auch beide Meiſter im Leben Freunde waren, außerdem
ein Wandgemälde von großen Dimenſionen im Refectorium
von San Marco. Es zeigt in lebensgroßen Figuren oben
in halbrundem Feld Chriſtus am Kreuz, beweint von Maria
und Johannes. Unter dem Kreuz, in einem zweiten Feld,
in architektoniſcher Umrahmung, ſehen wir die Brüder und
den Prior des Conventes um eine Tafel verſammelt, das
Tiſchgebet ſprechend. Engel treten herein und tragen Brod
im Gewand, das ſie an die Brüder vertheilen. Der Anblick
des Ganzen ſtimmt feierlich, auch hier finden wir den Grund-
zug ſeiner Kunſt wieder, erhabene, maßvolle Würde und
tiefe Empfindung. Die Köpfe der Conventualen ſind mit
der ſchärfſten Charakteriſtik dem Leben entnommen, in allen
webt derſelbe Zug tiefſter Religioſität, ſtrengſter Entſagung,
brüderlicher Liebe.—
Wir verlaſſen dieſe geweihten Mauern mit der Ueber-
zeugung, daß es ein großer und edler Geiſt war, der hier
gewaltet hat, der ſich in ſolchen Werken offenbarte. Mag-
netiſch und unwiderſtehlich zog er ebenſo die großen Seelen
an, die ſein Bereich betraten, ſo daß ſie ſelbſt von dem
Wunſch erfüllt waren, hier ihre letzte Ruheſtätte zu finden.
Gegenüber der Kanzel ſehen wir in der Ordenskirche die
Gräber des Angelo Poliziano und des Pico di Mirandola;
Poliziano, der gekrönte und gefeierte Dichter, Pico di Mi-
randola, der größte Forſcher und Sprachkenner, das Wunder
ſeiner Zeit. Ein glühender Verehrer der platoniſchen Philo-
ſophie, weihte er der Büſte Plato's eine ewig brennende
Lampe; als er noch in blühendem Alter ſtarb, wünſchte er
als chriſtlicher Philoſoph im Ordenskleid der Dominikaner
in San Marco beigeſetzt zu werden; ſo einigen ſich hier
ſelbſt ſcheinbare Gegenſätze zu ſchönſter Harmoͤnie.

Ruhe und müſſe frei von Sorgen und Leidenſchaft ſich be-
wahren. Ueber ſeiuem Grabe befindet ſich heute noch die
einfache Platte mit ſeinem Bildniß im Mönchshabit, die
ihm Nikolaus ſetzte, und folgende Jnſchrift:
,Non mihi sit laudi, quod eram velut alter Apelles,
Sed quod lucra tuis omnia, Christe, dabam:
Altera nam terris opera extant, altera coelo.
Urbs me oannem flos tulit Etruriae.
Ein halbes Jahrhundert war vergangen, ſeit der ſelige
Angelico mit frommem Sinn und treuem Fleiß die ſanften
Gebilde hatte erſtehen laſſen, die ſtumm und doch ſo beredt
heute noch zu jeder gläubigen Seele ſprechen, als ein neues
Geſtirn über San Marco ſich erhob. Es war dies das
Genie des Bruders Fra Bartolomé, ehedem in der Welt
genannt Baccio della Porta. Er war geboren 1469, Flo-
rentiner und ein Schüler Coſimo Roſelli's und hatte ge-
raume Zeit ſeines Lebens würdig und mit Auszeichnung
im Weltleben der Kunſt gedient. Da erſchütterte ihn ein
furchtbarer Schmerz. Sein Freund, der gewaltige Bußpre-
diger Girolamo Savonarola, Prior von San Marco und
Gegner der Medici, deren Pflege der klaſſiſchen Studien
und der klaſſiſchen Künſte er als Cultus des Heidenthums
verachtete und deren Feſtaufzüge und üppigen Weltſinn er
verabſcheute, — ſtarb, durch die ihm feindliche Partei zum
Feuertode verurtheilt, an einem Galgen in der Stadt Florenz.
Baccio gella Porta glaubte im Kloſterfrieden ſeinen Schmerz
beſiegen zu können; doch in tiefer, troſtloſer Schwermuth
über das furchtbare Ende des Freundes berührte er vier
Jahre lang keinen Pinſel mehr, bis er ſich endlich auf Zu-
reden der Brüder entſchloß, auf's Neue ſich der verlaſſenen
Kunſt zu weihen. Ein halbes Jahrhundert hatte einen un-
glaublichen Umſchwung in das Kunſtleben von Florenz ge-
bracht. Lorenzo de Medici, il magnifco genannt, großer
und fürſtlicher Schützer und Beförderer der Kunſt, wenn
auch in ſeinem Privatcharakter nicht ohne Makel, hatte nach
dem Vorbild der platoniſchen Academie einen Garten unweit
S. Marco gegründet, wo Meiſterwerke der antiken Sculptur
aufgeſtellt waren und um den Meiſter Bertoldo ſich alle
jungen Talente verſammelten, die Männer der Wiſſenſchaft
nicht ausgenommen. Hier empfing der junge Michel Angelo
ſeinen erſten Unterricht, hier verſammelten ſich alle bedeu-
tenden Geiſter, wie Marſilius Ficino, Pico von Mirandola,
Angelo Poliziano, deren Namen uns das glorreiche Zeit-
alter der Medicéer aufbewahrt hat. Jn der Kunſt hatte
die Schule der Giottesken, zu der in den Hauptzügen Fra
Angelico noch gehört hatte, einem tieferen Naturſtudium,
einem Streben nach Großheit der Form und Auffaſſung,
einem am Studium der Antike herangebildeten Formenſinn
Raum gewähren müſſen. Fra Bartolemé's Geſtalten ſind
ſtatuariſch gefaßt, ſeine Gruppen mit architektoniſchem Eben-
maß aufgebaut, ſeine Farbe iſt tief und kraftvoll, dabei
leuchtend klar. Seine Kenntniß der Anatomie und des
menſchlichen Körpers iſt vollkommen, ſeine Zeichnung voll
Strenge, Schönheitsſinn und Adel. Miniaturen hat er nie
gemalt, wie der ſanfte Fra Angelico, der Maßſtab ſeiner
Figuren iſt ſtets Lebensgröße oder geht in's Koloſſale über
dieſelbe hinaus. Sein eigentliches Gebiet iſt die Oelmalerei,
ſeine Hauptſtärke das großartig gefaßte Andachtsbild. Eines
ſeiner glorreichſten Werke iſt die Beweinung Chriſti im
Palaſt Pitti; nicht minder berühmt iſt Marcus der Evan-
geliſt in derſelben Sammlung, wie überhaupt Florenz und
Lucca die meiſten ſeiner Gemälde bewahren. Von Fresken
hat uns Fra Bartolomé nur wenig hinterlaſſen, ein jüngſtes
Gericht in S. Maria nuova, das beinahe erloſchen iſt, in
der Anordnung Verwandtſchaft mit Rafaels Disputa zeigend,

† M. Paul Deſchwanden
Am 25. Februar Abends endete in Stans Paul De-
ſchwanden ſein ſchönes Chriſten- und Künſtlerleben. Er
wurde 1810 in Stans geboren. Seine Mutter war eine
geborene Luthiger von Zug; bei den Geſchwiſtern derſelben
brachte Paul einen Theil ſeiner Jugendjahre zu und erhielt
auch in Zug von dem älteren Moos den erſten Unterricht
im Zeichnen, das er leidenſchaftlich liebte. Das kleine Haus
neben dem Kloſter Maria Opferung, in dem er wohnte,
war über und über mit den Zeichnungen des jungen Künſt-
lers verziert und noch findet man in Zug einzelne Porträts-
ſtudien aus jener Zeit, welche Deſchwanden mit jener ſpie-
lenden Leichtigkeit hinwarf, welche ihm ſpäter auch eignete.
Nach Abſolvirung des Gymnaſiums in Zug trat D. in das
Atelier von Maler Schinz in Zürich, welcher die Richtung
eines Raphael Mengs und einer Angelika Kaufmann culti-
virte und ſeine Schüler Winkelmanns Porträt und der-
gleichen Sachen copiren ließ. Der Aufenthalt in Zürich,
ſowie ein ſpäteres Verweilen im Waadtland, wohl auch
eine gewiſſe einſeitige Lectüre gingen nicht ſpurlos an der
Seele des Jünglings vorüber. Als ihn einige Jahre ſpäter
Overbeck in Rom ſah und der junge D. dem Altmeiſter
ſeine Compoſition , das Eliſium'', welche er in München
begonnen und in Florenz vollendet, zur Cenſur unterbreitete,
machte ihn dieſer ſofort darauf aufmerkſam, daß er die
Bouſſole ſeines Kunſtlebens nicht richtig geſtellt habe. Over-
beck wünſchte ihm eine ausgeſprochene katholiſche Färbung.
Wie ſehr ſich Deſchwanden die Bemerkung zu Herzen ge-
nommen, bewieſen die nun in Rom geſchaffenen Entwürfe
zu den vier Bildern in der St. Peterskapelle zu Luzern,
welche beſonders in der Technik ein liebevolles Studium
Raphaels bekunden und namentlich in der Darſtellung der
 
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