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zwungen?'' ,,Ach gewiß, antwortete der 69jährige Künſtler,
es fiel mir nachträglich recht ſchwer auf's Gewiſſen, daß
ich — noch zwei gar frohe Liedlein, die ich auswendig
weiß, zu ſingen vergeſſen; wenn Sie erlauben, hole ich das
Verſäumte ſofort nach.'' Und in liebenswürdigſter Kindes-
einfalt begann er wieder zu ſingen.

,,Geburt Chriſti'' den Einfluß Overbecks unverkennbar zeigen.
Der Aufenthalt in Jtalien führte D. mit den ſpäter nicht
minder berühmten Düſſeldorfern Deger und Müller zu-
ſammen und auch dieſe ,,Nazaräner'' waren von entſchei-
dendem Einfluß auf die tief religiöſe Richtung, welcher D.
für immer treu blieb und die eigentlich auch ſeinem ganzen
Weſen entſprach; denn Paul Deſchwanden war eine engel-
gleiche Seele, ein tief empfindendes, treues Gemüth, faſt
weiblich zartfühlend und beſaß von Hauſe aus jene köſt-
lichen Taufpfennige: den Geiſt eines katholiſchen Chriſten,
die Traditionen eines frommen Hauſes, das Gepräge eines
Sohnes des ſeligen Bruders Klaus. — Seit Mitte der
dreißiger Jahre in die Heimath zurückgekehrt, arbeitete
dann D. in ſeinem idylliſchen Stans Tag für Tag an
ſeinen himmliſchen Geſtalten, fleißig wie eine Biene und
geleitet von der Ueberzeugung, daß ihm Gott in ſeinem
großen Talent eine Gabe verliehen, mit der er wirken
müſſe für die Förderung von Gottes Ehre und beſonders
der Liebe der reinſten Jungfrau, die der ſelige Meiſter
innig verehrte. Sein Malen war ihm ſeine Art zu pre-
digen, und während der Pinſel ununterbrochen über die
Leinwand flog, betete die fromme Seele den Roſenkranz.
Man hat unſerem ſel. D. oft vorgeworfen, daß er zu viel
producire und daß ſeine Arbeiten oft hinter ſeinem Können
zurückſtehen. Die Bemerkung iſt richtig, wenn man an D.
den Maßſtab des Künſtlers anlegt, welcher für ſeinen Ruf
und Ruhm arbeitet. Gewiß war D. nicht unempfindlich
für die Bewunderung, welche oft ſeinen Werken zu Theil
wurde; aber das war ihm nicht die Hauptſache; er wollte
mit ſeiner Malerei wirken; er wußte, daß dieſe lieblichen
Madonnen, dieſe holden Jeſusknaben, dieſe einzig ſchönen
Engelsgeſichtchen zu den Herzen ſprachen, daß ſie erbauten
und oft wohl bekehrten. Wenn dann aus jenen Kreiſen,
denen er ein Bild geſendet, begeiſterte Schilderungen kamen
von den beſeligenden Wirkungen ſeiner hl. Kunſt, ſo war
das ein neuer Anſporn zu unermüdetem Schaffen., Daher
ſeine unglaubliche Productivität, daher die fabelhafte Schnellig-
keit, mit der er in einigen Tagen ein bedeutendes Bild voll-
endete. Dazu kam ſeine große Herzensgüte, welche es nicht
über ſich gewinnen konnte, einem Bittenden etwas abzu-
ſchlagen; die Zahl der Bittenden und Beſteller war aber
während der fünfziger und ſechziger Jahre enorm; ſeine
Bilder wanderten über Meer und Alpen, ſchmückten Pracht-
kirchen und arme Dorfkapellen. Das war auch die gute Zeit
der Hilfeſuchenden aller Art, denn bei D. hielt der erzielte
Gewinn dem Almoſen gleichen Schritt und wenn wir Alle
den frommen Künſtler vermiſſen werden und die Freunde
die treue, theilnehmende Freundesſeele, ſo werden die Hilfe-
ſuchenden, die Armen am meiſten ihren Wohlthäter ent-
behren, welcher ſtill und unbemerkt in großartigem Maßſtab
die Werke der Barmherzigkeit geübt.
Dabei bewahrte der liebenswürdige Künſtler allezeit eine
unverwüſtliche Heiterkeit des Gemüthes. Einige Monate vor
ſeinem Tode befand er ſich zu M. Beim Nachteſſen war er
unerſchöpflich an geiſtreichen Einfällen, ſcherzhaften Neckereien
und drolligen Erzählungen, bis er endlich von der Rede
zum Geſang überging und Jodler, gereimte Schwänke und
heitere Volkslieder in bunteſter Fülle zum Beſten gab. Als
Deſchwanden Tags darauf, nachdem er wie gewöhnlich der
hl. Meſſe beigewohnt und die Communion empfangen hatte,
ſich beim Frühſtück einfand, fragte ihn Jemand im Scherze:
,Aber fühlten Sie denn heute Morgen gar keine Scrupeln
ob all' dem Lachen, zu dem Sie uns geſtern Abend ge-

Bei einer in Stans wohl nie dageweſenen Theilnahme
wurde die irdiſche Hülle des Herrn Kunſtmaler Paul De-
ſchwanden der Erde übergeben. Ueber 30 Welt- und Ordens-
geiſtliche brachten für den Verſtorbenen das hl. Opfer dar.
Der Hingeſchiedene genoß den erſten Unterricht im Zeichnen
in Stans und ſetzte denſelben in Zug fort. Von da an
betrat er mit allem Ernſte ſeine künſtleriſche Laufbahn und
bildete ſich an den Kunſtſchulen in München, Düſſeldorf,
Florenz und Rom. Nachdem ſein künſtleriſcher Ruf ſich
ſchon bedeutend verbreitet hatte, machte er von Zeit zu Zeit
Kunſtreiſen durch Deutſchland nach den Niederlanden und
Jtalien. Die Kunſt- und Weltſtadt Rom hatte er mehrere
Male beſucht. Mit Paul Deſchwanden ging ein edlex Mann
und eine unermüdliche Arbeitskraft zu Grabe. Er war un-
verheirathet, dafür aber ſeinen Eltern und Geſchwiſtern
Alles in Allem. Ueberall ſtand er mit Rath, Troſt und
Hülfe bereit. Große Opfer brachte er ganz beſonders zur
Ausbildung talentvoller Künſtler. Die letzte Arbeit Paul
Deſchwanden's beſitzt die Theatergeſellſchaft von Stans —
ein Crucifix und zwei Engelbilder. Als er vor bald 20
Jahren das ſchöne Bild für den Hauptaltar der Collegien-
kirche in Schwyz verfertigte, ſoll der fromme Künſtjer jeden
Morgen, bevor er zu Pinſel und Palette griff, die hl.
Communion empfangen haben.
Nach einer Mittheilung im ,,Vaterland'' war es im
Sommer 1846, als Paul Deſchwanden auf einer Geſchäfts-
reiſe in's Kloſter St. Urban kam. Als Freund der Jugend-
bildung wollte er bei dieſer Gelegenheit auch dem Lehrer-
ſeminar einen Beſuch machen. Wie er aber erfuhr, daß
gegenwärtig ein ſolcher Beſuch nicht geeignet wäre, indem
den Zöglingen gerade geiſtliche Exercitien abgehalten wur-
den, ſo ſchrieb er an die Seminariſten einen Brief, dem
wir Folgendes entheben: ,,Mit freudiger Rührung ſah ich
euch zum Tiſche des Herrn gehen. Jn dieſer Vereini-
gung mit dem Lehrer aller Wahrheit und Weisheit, aller
Demuth und Liebe ſuchet ihr Kraft zur Erfüllung eueres
erhabenen Berufes. Gläubig, fromm, voll guter Entſchlüſſe
und heiliger Begeiſterung knietet ihr hin. Jhr möchtet
gleichſam Schutzengel werden den Kleinen, die man euerer
Leitung anvertraut. Jch ſtellte mich im Geiſte in euere
Reihen, theilte euere Andacht und euere Tugendvorſätze,
und fühlte mich auch dem Berufe nach euch verwandt; denn
ich hab's auch mit den Kleinen zu thun. Freilich male ich
meiſtens für Große, dieſe halten ſich aber bei dem Aeußeren
der Malerei, bei der Schale auf, und nur kindliche Seelen
finden den nahrhaften Kern darin; nur dieſe haben einen
offenen Sinn für die Sprache religiöſer Bilder und ver-
ſtehen, dieſe auf ſich anzuwenden. D'rum gilt mein Wirken
den Kleinen im geiſtigen Sinne.''
So iſt mit Paul Deſchwanden einer der edelſten, liebens-
würdigſten Menſchen geſchieden, der uns auf unſern Lebens-
wegen begegnet, ein Künſtler von Gottes Gnaden nach Ta-
lent und Tugend, dem über den Sternen ſeine Stelle ge-
buhrt neben dem beato Angelico da Fiesole.

Verantw. Redact. und Herausgeber: Dr. Stephan Braun in Freiburg. — Druck von J. Dilger in Freiburg
 
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