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Fleiß und in treuer Übung, geführt von ehrlichem Willen, immer nur ihr B estes
zu leisten „zu Gottes, des Standes und des Landes Ehre" — und getragen
von einem mächtigen, dem Gediegenen, Ächten und Rechten allein huldigenden
Gcmeinsinu und Gemeinverständniß ihre Wunder verrichtet hat. Damals hatte
das Handwerk den „goldenen Boden", auf welchem es gar nichts anders wußte
und kannte, als daß Kunst und Handwerk eines sei, daß das einfachste häus-
liche oder kirchliche Gerät auch für den geringen Mann und für das arme
Dörflein von einem Hauch der Schönheit geadelt und die ganze Umgebung des
Bessergestelltcn in Form und Farbe würdig, sinn- und bedeutungsvoll, an-
sprechend und anmutheud sei. Was war schon das eine Unterlage für den Kunst-
fleiß, daß man nicht erst zu fragen brauchte: was für ein Stil? da gleiche
Geistesrichtung, gleiches Bedürfnis; ganz von selbst eine Gleichartigkeit des
Schassens, eine Natürlichkeit und Ursprünglichkeit bei aller Eigenart, eine nach-
haltig schöpferische Kraft ohne die Berunruhigung durch eine alle drei Monate
wechselnde Mode und so jene kleinen und großen Werke erzeugte, zu welchen
wir jetzt als zu Mustern emporblickeu. Auch wenn, wie die Ausstellungen zeig-
ten, der heutige Kunstsleiß mehr und mehr dem alten nachzueifern, ihn im Machen
zu erreichen, ja hin und wieder zu überbieten gelernt hat, müssen „die Werke der
Väter" doch noch lange, wenn nicht für immer, unerreichbar bleiben in dem, daß
sie aus der Tiefe des Volkslebens und Volksgemüthes herausgewachsen, wirkliche
Schöpfungen sind, während den heutigen Werken allermeist doch die Ursprünglich-
keit, das eigene frische Leben und Wachsthum aus dem Volk heraus und in das
Volk hinein gebricht.
Wenn eine Kunst volksthümlich werden will, so muß sie dem Volke nicht
bloß fremdes Schönes vorführen, sondern vielmehr sein eigenes Wesen in dem
Kunstwerk wieder finden lassen in verklärter Gestalt. Aber wo und wie soll
unser Volk sich in den Werken der heutigen Kunst und Kunstgewerbsamkeit wieder-
erkennen? Kann die heute zur alleinigen Geltung gekommene Renaissance ein
Spiegel unseres heutigen Wesens und Lebens sein? Nun, warum nicht so gut
als vor drei Jahrhunderten für die damals Lebenden? Aber damals haben die
Deutschen den fremden Stil sich eigens angepaßt, und Tracht und Gerät, Form
und Farbe stimmte zusammen. Man bedurfte nur wenig Helle, darum war
Butzenscheibe und dunkler Vorhang am Platze, man war im engen Raume und
nut unbequemer Ecke zufrieden, da man in der ummauerten Stadt und schmalen
Gasse, im Zunftzwang und Mühlbann, in Sonderleben und Eigenart recht und
schlecht sich wohl und glücklich fühlte. Wie ist doch das ganz anders worden,
und wie soll der Mensch der Eisenbahnen und Telegraphen, der Mensch der
heutigen Modezeitung in jene Beengungen sich finden, an jenen alten Kachelöfen
sich wärmen, auf jene alten steifen Sessel sich setzen, in jene alten Himmelbettladen
sich legen, aus jenen alten massigen Krügen trinken, von jenen alten gemalten
Tellern essen? Die Nachahmerei all des Urväter-Hausrats kann eine vornehme
Mode werden, aber nimmermehr Volksbesitz und Volksfreude.
Eine Unzahl Volkes ist zu den Ausstellungen geströmt Dank der
für die Zeit bewilligten Ermäßigungen der Eisenbahnfahrkosten bis auf die
 
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