Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
34

guten Anteil an der Herrlichkeit alter Bau- und Kunstdenkmale, welche in
ihrer Ursprünglichkeit und Urbildlichkeit uns und unsere heutigen Brücken-
und Tunnel- und Eisenbahnerbauer, ja gewiß auch nicht zum mindesten unsere
heutigen Kirchen- und Palastbaumeister in angemessener Bescheidenheit hält. Das
jetzige, dem heil. Kilian, dem Apostel der Franken geweihte Gotteshaus ist ein
Werk des 15. Jahrhunderts und hat einen höchst merkwürdigen Turm, der zu
zwei Dritteil in gotischem, zum letzten Dritteil in reichstem deutschem Nenaissance-
Stil 225 Fuß hoch aufsteigt. Im Innern des dreischiffigcn Hallcnbaues findet
sich interessante, den Bau selbst nicht verletzende Renaissance-Stukkatur, nament-
lich an der reichverzierten Kanzel und ihrem mit biblischen Darstellungen ans-
gefüllten Treppengeländer. Nur schade, daß das Bildwerk durch wiederholte
Übertünchungen verderbt ist. Im großen hohen, längst um seine einstigen ge-
malten Fenster gekommenen Chor steht ein durch Größe, Pracht, Reichtum
und Kunstwerk ausgezeichneter Hochaltar von 1498. Liibke, der in seiner großen
Geschichte der Plastik ihm ein schönes Blatt widmet, setzt ihn mit vollem Recht
den berühmtesten Arbeiten dieser Art zur Seite und rechnet dessen geschnitzte
Flügel-Reliefs wegen der „über das Werk ausgcgossenen Schönheit, Kraft und
Lebensfülle unbedenklich zu den Meistcrschöpfungcn, mit denen die nordische
Kunst sich neben die gleichzeitige italienische stellen kann." Was müßte dieser
Altar erst wert sein, wenn er von der häßlichen Weißen Ölfarbe, mit welcher
er leider völlig überschmiert ist, gereinigt in seiner ursprünglichen Herrlichkeit
strahlte! Das reiche Heilbronn wird sicherlich einem solchen in der traurigen
Verfallzeit der Kunst und des Kunstsinns mißachteten und mißhandelten Kunst-
schatz die verdiente Ehre noch anthnn, und zu dem Nützlichen der neuein-
gerichteten Kirchenhcizung auch das Schöne der Wiederherstellung des alten
Altarwerks fügen.
Während dem offenen Auge in diesem hoch über den Choraltar sich erheben-
den Kunstwerke eine unvcrsiegliche Freudenguclle strömt, wollte einst das gläubige
Ohr unter deut Boden dieses Chores das Rauschen einer natürlichen Quelle
hören, deren frische Wasser in Wirklichkeit draußen im Freien in die sieben
großen Röhren sich so reichhaltig ergossen, daß nach einer Eichung im Jahre
1680 in vier und zwanzig Stunden gegen 4700 württembergischc Eimer aus-
strömten. Das ist der Siebenrohr- oder Kirchbrunncn, welcher der Stadt selbst
ihren Namen gab und Jahrhunderte lang als das Wahrzeichen der alten Reichs-
stadt gegolten hat. Der jetzige Name der Stadt und die allmählich sich bildende
Überlieferung deutet auf einen Heilbruuncn. Alte Chroniken der Stadt rühmen
auch begeistert „den herrlichen Gesundbrunnen." Selbst Kaiser Karl V., welcher
am 24. Dezember 1546 in einer Sänfte hcreingetragen worden, und nach Vier-
Wochen, im Januar 1547, zu Roß wieder hinausgcritten ist, soll durch fleißiges
Wassertrinken aus dem Kirchbrunnen, das ihm jedenfalls gesünder war, als seine
spanischen Weine, sich das Podagra vertrieben haben. Doch haben neuere Unter-
suchungen erwiesen, daß das Wasser nichts mehr und nichts weniger als ge-
wöhnliches, klares, gutes Trink- und Kochwasser ist. Aus einem anziehenden
Vortrag des H. Prof. I)r. Dürr bei der vorjährigen Jahresversammlung des
 
Annotationen