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Kirchenbaus überhaupt. Es liege darin „ein absichtliches Streben nach dem
Geheimnisvollen," „der Meister der Thüre wollte seinen Gedanken... in das
Geheimnis dadurch hüllen, daß er seine Idee in ihre Einzelvorstellungen aus-
einander warf, um den sinnigen Betrachter zum Suchen und Finden aufzufor-
dern." Wenn dies richtig wäre, so wäre jeder Erklärungsversuch reines Glücks-
spiel, und jedenfalls ist es Allioli selbst auf dieser Grundlage vollständig unmöglich,
die Richtigkeit seiner Erklärung zn erweisen. Glücklicherweise wissen wir heute, daß
die Kunstwerke des Mittelalters ebenso wie die jeder andern Periode auf das Ver-
ständnis des Beschauers berechnet waren — allerdings des gleichzeitigen Beschauers.
Deshalb gilt es, ein solches Kunstwerk aus dem Gedankenkreis seiner Zeit heraus
zu erklären. Kugler (Kl. Schr. I. Bd. S. 149) vermutet, daß die Bilder irgend
einmal auscinandergelegt und aufs Geratewohl wieder verbunden worden seien, giebt
aber nicht an, wann und bei welcher Gelegenheit dies geschehen sein konnte. Doch
wäre auch mit diesem Nachweis bloß die Unordnung der Tafeln erklärt. Es ist aber
2) auffallend, daß fast die Hälfte der Bildtafeln (10 von 23) doppelt vorkommt,
und zwar sind die Wiederholungen ganz willkürlich und unsymmetrisch über die
ganze Thüre zerstreut. Allioli nimmt in der Hauptsache an, es können infolge
der Zerstörung oder Entwendung einzelner Bildtafeln Kopien vorhandener ein-
gesetzt worden sein. Darauf führt eine von Plac. Braun, die Domkirche in
Augsburg, 1829, S. 33 mitgeteilte, von Allioli S. 2f. ungenau wiedergegebene
Nachricht des Domkapitelschcn Protokolls: „Als im Jahr 1593 an dem Portal
von Bronze abermals gefrevelt und eine Platte (Allioli: Platten) entfremdet wurde,
verordnete das Kapitel, solche wieder von der nämlichen Materie (All.: Gusse) zu
ersetzen und um weiterem dergleichen Frevel vorzubauen, ein neues Thor zu machen
(fehlt bei All.), die bisherigen schwachen mit BleOvermischten Bänder zu entfernen
und die Platten mit Bändern von gegossenem Knpfcr zu befestigen. Diese Arbeit
übergab man dem Glockengießer M. Peter, bezahlte ihm an barem Geld 96 fl. 36 kr.
nnd überließ ihm die alten Bänder." An der Echtheit dieser Nachricht ist wohl
bei den genauen Angaben über Meister und Preis der Arbeit nicht zu zweifeln;
es fragt sich nur, ob sie zur Erklärung des Thatbestandes ausreicht. Über die
Art, wie die Platten im Jahr 1593 hergestellt wurden, giebt der Wortlaut der
Nachricht keinen Anhaltspunkt. Es können Nachbildungen gewesen fein'), aber
solche müßten sich als Produkte des 16. Jahrhunderts von den alten Platten
stilistisch unterscheiden. ?) Das trifft bei keiner der Platten zu. So bleibt
nur übrig, an Abgüsse zu denken. Solche können aber mehrere Doppelplatten nicht

9 Dies nimmt Herberger an nnd verwirft deshalb die ganze Nachricht. Der zweite
Grund, den er hiefür beibringt, die alteren Platten müßten eine stärkere Patina besitzen, ist
ebensowenig stichhaltig, denn davor schützte dieselben die damals noch vorhandene Vergoldung
(Allioli S. 2).
9 Hiefür haben wir einen sicheren Maßstab an den drei halberhabenen Männerköpfen der
untersten Reihe nnd den zweien der vierten Reihe von oben auf dem linken Thürflügel, die
deutlich Produkte des sechzehnten Jahrhunderts sind, während gewisse Einzelheiten (vergl. be-
sonders die Bildung der Angen) darauf schließen lassen, daß sie Nachbildungen der älteren
Köpfe sein sollen.
 
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