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mit ihren schlechten Handlungen verunchren. Sem und Japhet, durch welche
die berufenen und gerechtfertigten „Juden und Griechen" bezeichnet sind, haben,
nachdem sie die Entblößung ihres Vaters, durch welche das Leiden des Erlösers
angezeigt ist, irgendwie erkannt hatten, ein Gewand genommen, cs über ihre
Rücken gelegt und sind so abgewandt hinzugegaugen und haben die Blöße ihres
Vaters bedeckt, ohne zu sehen, was sie in Ehrfurcht zugedeckt. Wir ehren ja
in Christi Passion ebenso das, was für uns geschehen ist, wie wir uns von dem,
was die Juden lieblos gethan, abwendcn. Das verhüllende, bedeckende Gewand
aber bedeutet das Geheimnis, daß Christus in Noah abgebildet ist. Die Rücken
bedeuten die Rückerinnerung an das Vergangene, sofern die Kirche das Leiden
Christi als ein zu der Zeit, da Japhet in den Hütten Sems und der böse Bruder
in ihrer Mitte wohnte, bereits Vergangenes feiert und nicht auf dasselbe als
etwas erst Zukünftiges hinausblickt."
klüter dem Bilde des entblößten Noah hat also das Mittelalter nach dem
Vorgang des Kirchenvaters den leidenden Erlöser verstanden, wie er seiner nicht
mächtig und von allem entblößt am Kreuze hängt, von den wahrhaft frommen
Christen durch Wort uud That geehrt, von den falschen Christen durchs Wort
zwar bekannt und verkündigt, aber durch das Handeln zum Gespötte gemacht
wird. Nicht ein Bild und Beispiel zum vierten Gebot also soll die Darstellung
Noahs und seiner Söhne sein, sondern zum zweiten Glaubensartikel soll sic eine
Predigt sein vom Leiden Christi, vom rechten That- und vom falschen Mund-
Glauben an dasselbe. Was Christus in Noah erfahren hat durch seine frommen
Söhne, und was er erlitten hat durch den Frevler, das sollte den Besuchern der
Kirche zur täglichen Ermahnung uud zur Warnung vor Augen gestellt sein.
H. M.

Mchertrericht.
Handbuch der kirchlichen Kunst-Archäologie des deutschen Mittelalters
von Or. H. Otte. Fünfte Auflage. In Verbindung mit dem Verfasser be-
arbeitet von Ernst Wernicke, Oberpfarrer zu Loburg. Zweiter Band. Mit 10
Kunstbeilagen und 234 Abbildungen im Texte. Leipzig T. O. Weigel 1885.
Dem von uns im vorigen Jahrgang angezeigten ersten Bande dieses Werkes
ist der zweite in rühmlicher Eile gefolgt. Allerdings hat er allein mit seinen
855 Seiten den Titel eines „Handbuchs" verwirkt, für welchen schon die 607
Seiten des ersten Bandes überzählig gewesen sein möchten. Aber Titel hin,
Titel her, — welches andere Sammel- uud Nachschlagewerk haben wir „zu Hand",
wenn wir das, was bis jetzt erforscht worden ist in dem weiten Gebiete deutsch
mittelalterlicher Kunst, gut beieinander haben wollen? Nur für den allgemeinen
Inhalt dieses zweiten, die Geschichte der deutschen kirchlichen Kunst im
Mittelalter enthaltenden Bandes war eine Bücherwelt durchzusuchen und aus-
zubeuten, deren Titel allein über sechs Seiten füllen. Dazu kommen reiche Ver-
zeichnisse der besonder» Schriften zu den einzelnen Kunstzweigen und Kunstdenk-
mälern für diejenigen, welche zu den vorhandenen Quellen zurückgehen wollen.
 
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