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noch heute nimmt ein Bewohner der Weingegend die Beeren unmittelbar mit
den Zähnen vom Kamm, wobei es notwendig ist, die Traube hoch zu halten,
damit sie bequem nach unten hängt. Genau dies ist auf unserer Tafel darge-
stellt. Die ganze Traube in den Mund zu stecken, ist schon wegen des Kamms
eine Unmöglichkeit, das „versucht" und das „gierig" ist ohnehin reine Ein-
tragung Alliolis. Eine weitere Verwechslung bezieht sich auf die Haltung des
Mannes: Sie soll frohlockend, tanzend sein und auf den bacchischen Genuß hin-
deuten. Die Figur ist vielmehr einfach stehend dargestellt; die Stellung des
linken Armes und daraus als Gegenstütze die des rechten findet im Vorstehen-
den ihre Erklärung. Die Stellung der Beine und Füße ist ganz ähnlich, nur
wegen der Bekleidung weniger ausfällig bei Gott-Vater Figur 32, bei Figur 2,
3, 7, 16, 17, 22, 29, besonders aber 14 und 18. Diese Figuren stehen alle
auf dem einen Beine fest auf, während das andere, allerdings in übertriebener
Weise, als Spielbein behandelt, stark gebogen erscheint. Daß aber die Figur zu
Hüpfen oder auf den Zehenspitzen zu stehen scheint, zeigt sich ebenso bei sämt-
lichen Figuren unserer Thüre. Alle stehen nicht mit gerader Fußsohle auf einem
dargestellten oder weggelassenem Boden auf, sondern ihre Füße sind sämtlich in
schräger Richtung nach unten gestellt. Übrigens finden wir diesen stark über-
triebenen, schwungvollen Ausdruck der Bewegung in der gesamten Kunst der
vorangehenden karolingisch-ottonischen und auch noch in der früheren romanischen
Periode. Zu verweisen ist z. B. auf das Titelbild des Ooäox nnrsns zu
St. Gallen (herausgegeben von R. Rahn) und auf die stark bewegten Engel-
gestalten in den Wandgemälden der Oberzeller Kirche auf der Reichenau (heraus-
gegeben von Fr. X. Kraus) und endlich auf die lebhaft bewegten Gestalten von
Engeln (oder Tugenden) auf dem Kronleuchter Kaiser Friedrichs im Münster
zu Aachen (herausgegeben von Bock). So werden wir uns denn auch derAllioli'-
schen Deutung: „Die ganze Kleidung und Haltung zeigt einen griechischen Bac-
chanten," nicht anschließen; aber auch die Ansicht Försters (a. a. O. S. 8), daß
die Figur Noah darstelle, „wie er den Rebstock baut, von demselben genießt und
opfert," werden wir nicht annehmen können; denn von dem „Bauen und Opfern"
ist nichts zu sehen und das übrigbleibende „Genießen" ist das für Noah am
wenigsten Charakteristische. In Ähnlichkeit der vorangehenden Darstellung wird
darin die Verbildlichung eines Bibelspruchs zu erblicken sein. Hiezu bietet sich
die Stelle Luc. 6,44. dar: „Ein jeglicher Baum wird an seiner eigenen Frucht
erkannt; denn man liefet nicht Feigen von den Dornen, auch so liefet man
nicht Trauben von den Hecken." Auch hier tritt in eigentümlicher Weise
die künstlerische Phantasiethätigkeit hervor, indem nicht nur aus dem allgemeinen
Vorgang eine konkrete Scene gemacht, sondern derselbe auch, allerdings nach dem
Zusammenhang der Bibelstelle, aus dem Negativen ins Positive gewendet ist.
Zweite Masse: Ginselfignren.
Alliolis Grundvoraussetzung für die Deutung derselben ist, daß auch sie Teil-
vorstellungen des Kreislaufs des christlichen Heiles seien. Um sie hier unterzu-
bringen, muß er ihnen willkürlich hiezu Passende Bezeichnungen aufhesten. Dabei
noch heute nimmt ein Bewohner der Weingegend die Beeren unmittelbar mit
den Zähnen vom Kamm, wobei es notwendig ist, die Traube hoch zu halten,
damit sie bequem nach unten hängt. Genau dies ist auf unserer Tafel darge-
stellt. Die ganze Traube in den Mund zu stecken, ist schon wegen des Kamms
eine Unmöglichkeit, das „versucht" und das „gierig" ist ohnehin reine Ein-
tragung Alliolis. Eine weitere Verwechslung bezieht sich auf die Haltung des
Mannes: Sie soll frohlockend, tanzend sein und auf den bacchischen Genuß hin-
deuten. Die Figur ist vielmehr einfach stehend dargestellt; die Stellung des
linken Armes und daraus als Gegenstütze die des rechten findet im Vorstehen-
den ihre Erklärung. Die Stellung der Beine und Füße ist ganz ähnlich, nur
wegen der Bekleidung weniger ausfällig bei Gott-Vater Figur 32, bei Figur 2,
3, 7, 16, 17, 22, 29, besonders aber 14 und 18. Diese Figuren stehen alle
auf dem einen Beine fest auf, während das andere, allerdings in übertriebener
Weise, als Spielbein behandelt, stark gebogen erscheint. Daß aber die Figur zu
Hüpfen oder auf den Zehenspitzen zu stehen scheint, zeigt sich ebenso bei sämt-
lichen Figuren unserer Thüre. Alle stehen nicht mit gerader Fußsohle auf einem
dargestellten oder weggelassenem Boden auf, sondern ihre Füße sind sämtlich in
schräger Richtung nach unten gestellt. Übrigens finden wir diesen stark über-
triebenen, schwungvollen Ausdruck der Bewegung in der gesamten Kunst der
vorangehenden karolingisch-ottonischen und auch noch in der früheren romanischen
Periode. Zu verweisen ist z. B. auf das Titelbild des Ooäox nnrsns zu
St. Gallen (herausgegeben von R. Rahn) und auf die stark bewegten Engel-
gestalten in den Wandgemälden der Oberzeller Kirche auf der Reichenau (heraus-
gegeben von Fr. X. Kraus) und endlich auf die lebhaft bewegten Gestalten von
Engeln (oder Tugenden) auf dem Kronleuchter Kaiser Friedrichs im Münster
zu Aachen (herausgegeben von Bock). So werden wir uns denn auch derAllioli'-
schen Deutung: „Die ganze Kleidung und Haltung zeigt einen griechischen Bac-
chanten," nicht anschließen; aber auch die Ansicht Försters (a. a. O. S. 8), daß
die Figur Noah darstelle, „wie er den Rebstock baut, von demselben genießt und
opfert," werden wir nicht annehmen können; denn von dem „Bauen und Opfern"
ist nichts zu sehen und das übrigbleibende „Genießen" ist das für Noah am
wenigsten Charakteristische. In Ähnlichkeit der vorangehenden Darstellung wird
darin die Verbildlichung eines Bibelspruchs zu erblicken sein. Hiezu bietet sich
die Stelle Luc. 6,44. dar: „Ein jeglicher Baum wird an seiner eigenen Frucht
erkannt; denn man liefet nicht Feigen von den Dornen, auch so liefet man
nicht Trauben von den Hecken." Auch hier tritt in eigentümlicher Weise
die künstlerische Phantasiethätigkeit hervor, indem nicht nur aus dem allgemeinen
Vorgang eine konkrete Scene gemacht, sondern derselbe auch, allerdings nach dem
Zusammenhang der Bibelstelle, aus dem Negativen ins Positive gewendet ist.
Zweite Masse: Ginselfignren.
Alliolis Grundvoraussetzung für die Deutung derselben ist, daß auch sie Teil-
vorstellungen des Kreislaufs des christlichen Heiles seien. Um sie hier unterzu-
bringen, muß er ihnen willkürlich hiezu Passende Bezeichnungen aufhesten. Dabei