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reichendes Kruzifix. Dieses sollte seinen Platz vor dem Bilde behalten und also gleich-
sam mit in dasselbe hineinkomponiert werden, da seine Entfernung unthunlich
war. Der Chorraum hat, da die beiden einzigen und zwar seitlichen Fenster
mit Glasgemälden versehen sind, ein sehr spärliches, wechselvolles Licht, mit
dem gleichfalls gerechnet werden müßte. Und zu alledem sollte das Töchterlein
Jairi die Züge eines jüngst verstorbenen, sechsjährigen Mägdlein tragen. Für-
wahr eine Fülle von Aufgaben, wie sie in so eigentümlicher Mischung Wohl
selten einem Künstler gestellt sein mögen. Und wie hat er sie alle gelöst! Er-
teilt das Bild in zwei Gruppen. Unter den einen Kreuzesbalken stellt er die
Auferweckungsscene, unter den andern die drei zuschauenden Jünger. Das Kreuzes-
bild schwebt, gleichsam Heil und Leben aus Jesu Wunden herniedertauend, Wer-
der ganzen bewegten Scene. In sprechender Plastik heben sich die Gestalten des
Bildes von dem lichten Hintergründe, welchen der Künstler mit Absicht gewählt
hat, ab, vor allem die weit über lebensgroße, wunderbar schöne Gestalt des
Heilandes, der dem eben erwachenden Mägdlein die Rechte reicht, als wollte er's
herausziehen aus dem Abgrund des Todes, während die Linke sich wie segnend
über dem Kinde aufhcbt und zugleich nach oben weist. Vertrauensvoll, wunder-
lieblich, dabei sprechend ähnlich schaut das Kind zu seinem Retter ans, während
die dahinter stehenden Eltern, da cs sich doch in Wirklichkeit um eine Entschlafene
handelt, nicht nur den Ausdruck staunender Anbetung, sondern auch stiller Er-
gebung zeigen. Während nun die Figuren, welche die Auferweckungsscene bilden,
verhältnismäßig mehr zusammengedrängt werden mußten, blieb für die drei
Jünger auf der andern Seite ein größerer Raum, welcher aber aufs beste benutzt
worden ist. Der von heiliger Verwunderung gleichsam gebannte Petrus, mit
den. zusammengeschlagenen Händen; der vom Strahl der Gottheit berührte, den
ewigen Sohn des Vaters durch die Hülle des Fleisches schauende Johannes,
welcher wie geblendet mit dem Arm das Auge schirmt; der mehr im Hintergrund
stehende Jakobus, der noch nicht recht zu wissen scheint, was sich da vorn be-
zieht, bilden eine lebensvolle Gruppe, welche für die Art, wie die Einzelnen in
der Christenheit sich zu dem Herrn stellen, gleichsam typisch ist.
Das Bild ist in der That für die besondere Begabung Händlers, biblische
Stosse nicht nur zur Anschauung, sondern zu erbaulicher Wirkung zu bringen,
besonders charakteristisch und zeigt im übrigen alle andern Vorzüge, die seine
Bilder sonst auszeichnen: eine überaus reine Linienführung, sanfte, wohlthuende
Farbengebung und einen über das Ganze ausgegossenen leuchtenden Glanz, der
uns eine Durchsicht zu eröffnen scheint in eine andere Welt.
Mag immerhin auch die berühmte Richtersche Darstellung desselben Gegen-
standes in der Berliner Nationalgalerie ihre Vorzüge haben und behalten: ihm
dürfte an heiliger Ruhe, an stilvoller Gestaltung der biblischen Personen nach
Corneliusscher Weise, und an erbaulicher Wirkung dieses Händlersche Bild, dem
man nur einen größeren Kreis von Beschauern wünschen möchte, überlegen sein.
 
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