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Maria Magdalena, sonst von der Kunst stark in die vorderste Stelle hervor-
geschoben, mußte infolge der zwingenden Raumverhältnisse etwas zurücktreten.
Weiter vorn hätte sie nicht mehr zu dem Gekreuzigten aufsehen, sondern nur
etwa das Kreuz umklammern können, was der Künstler als etwas theatralisch
vermeiden wollte.
Doch lassen wir ihn selber sprechen, indem wir ans einem fliegenden Blatt
die Erläuterungen einfügen, in denen er die leitenden Gesichtspunkte bei Gestaltung
des Bildwerkes dargelegt hat.
„Die Aufgabe über der Doppelthüre, dem Hauptportale der Barfüßerkirche,
in einem sehr flachen Spitzbogen, der dem Bildwerk bei einer Fußbankbreite von
4,40 m nur einen Höhenraum bis zum Bogenscheitcl von 2,20 in bot, in nicht
günstiger, baulicher Umgebung und in einer etwas engen Straße eine Kreuzigungs-
gruppe mit möglichst großen Figuren darzustellen, bot der künstlerischen und
technischen Schwierigkeiten viele. Die Phantasie des Christen denkt sich mit der
Schrift übereinstimmend den Vorgang stets so, daß die Gestalt des Erlösers schon
der Erde halb entrückt hoch oben am Kreuze mehr schwebt als hängt, während
die sonst am Vorgang Beteiligten sich unter dem Kreuze gruppieren. Hier, wo
die mehr als einfache bauliche Umgebung einerseits eine zu reiche Entwicklung
des Bildes, soweit darunter viele und kleine Figuren zu verstehen sind, ausschloß,
war der Künstler gezwungen, die Gestalt des Heilandes, um sie möglichst groß
im Raum zur Darstellung zu bringen, fast bis in die Ebene der andern Figuren
herab und zwar in den Vordergrund zu bringen. Eine weitere Schwierigkeit
bot die Fußbank des Bildwerks, welche aus Rücksicht auf den dasselbe umgebenden
Spitzbogen und Thürsturz eine Entwicklung nach vorn nicht zuließ.
In der Darstellung wurde nun versucht, die vorhandenen Schwierigkeiten
so zu überwinden, daß sie sich dem Beschauer nicht mehr aufdringlich bemerkbar
machen. Die Darstellung, in Kellheimer Kalkstein, dem außer Marmor dauer-
haftesten Material, ansgeführt, umfaßt zwölf Figuren, welche sich teilweise dramatisch
bewegt in den Raum zwanglos einfügen und denselben ausfüllen. Die Heilands-
gestalt in 1,6 in Höhe, nimmt den Mittelraum ein, die übrigen Gestalten in
etwa gleicher oder geringerer Größe gruppieren sich links und rechts davon. Zur
Rechten des Heilands steht als Hauptfigur die Mutter im Vordergrund, um-
geben von drei anderen Frauen, wovon die eine die Mutter zu stützen und zu
trösten sucht. Sie bedarf jedoch dieses Trostes nicht, ihr Schmerz ist gottergeben,
verklärt. Den Eckraum an dieser Seite füllt der Hauptmann aus, welcher das
entblößte Schwert in der Rechten senkend, knieend und den begeisterten Blick auf
das Haupt des sterbenden Erlösers gerichtet, als Vertreter des bekehrten Heiden-
tums mit erhobener Linken Jesus als den Gottessohn bekennt. In der Christus-
gestalt sollte der Augenblick des Abscheidens zum Ausdruck kommen, die Brust
hebt sich noch einmal unter dem letzten Atemzuge, das Haupt sinkt. Das Erd-
beben beginnt, die lebhaft bewegte Luft macht sich in den teilweise flatternden
Gewändern bemerkbar. Dadurch und durch den Vorgang an sich ist die Auf-
merksamkeit zweier Kriegskncchte zur Linken des Herrn im Hintergründe aufs
höchste erregt, sie starren unverwandt nach dem Haupte des Verscheidenden, während
 
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