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daß der Leser oder Hörer die Schönheiten derselben sieht? Gesehen wollen auch
diese Treppenhausbilder in der Universität zn Halle werden. Möchte kein Freund
christlicher Kunst, den sein Weg durch Halle führt, es versäumen, sich durch den
Anblick dieser Bilder eine genußreiche und erhebende Stunde zu verschaffen.
Möchte auch bald irgend ein Kunstverlag eine Vervielfältigung dieses Meister-
werkes von Gustav Spangenberg in Photographie oder besser noch in Photo-
gravüre veranlassen. Johannes Thieme.
Ludwig Richter, der Sachse.
Zur Nachfeier des Geburtstags Sr. Majestät des Königs Albert von
Sachsen hat Herr vr. Richard Meister am 4. Mai 1889 in der Aula des
Nikolaigymnasinms zn Leipzig eine Festrede gehalten, welche zu Gunsten der
Sammlung für ein Ludwig-Richter-Dcnkmal in Dresden bei A. Dürr in Druck er-
schienen ist.*) Zu ihrer schönen Ausstattung gehören drei lieblichste Bilder aus der
Sammlung „Fürs Haus", drei aus dem „Neuen Strauß", eines ans „Christen-
freude" und das Bild L. Richters am Arbeitstische von Leon Pohle.
Der Redner hat sich die Aufgabe gestellt, uachzuweiseu, wie lebendig und getreu
L. Richter in seinen Werken das Bild der sächsischen Art gezeichnet hat und wie er,
der nach Geburt, Sinn und Charakter ein echter und rechter Sachse gewesen
ist, durch solchen Anschluß an das heimatliche Wesen und Leben der volkstümlichste
Maler des deutschen Volks- und Familienlebens geworden ist. Richter hat ja
auch Alemannisches, Rheinisches, Niederdeutsches schön und treffend geschildert,
aber zumal in seinen frei erfundenen Holzschnittzeichnungen hat er fast aus-
nahmslos den sächsischen Landes- und Volks-Charakter festgehalten. Das wird
denn nachgewiesen in dem landschaftlichen Hintergrund seiner Zeichnungen, in
den Häusern und Stuben, in welche Richter uns blicken läßt, und welche die ganz
niedrigen, engen, einfachen Wohnungen der kleinbürgerlichen Familien Sachsens
bis in die Mitte des Jahrhunderts gewesen sind. In die Wohnungen der Reichen
und Vornehmen wollte und konnte ja der Mann uns nicht eiuführeu, welcher
schon in Rom in sein Tagebuch geschrieben hat: „Ich will arm und einfach
leben, ich mag müssen oder nicht." Daraufhin schildert der Festredner, wie
Richters Herz ihn überall und immer zn dem Natürlichen und Einfachen hinzog,
wie seine Kunst auf schöne Wiedergabe desselben ausging, wie er mit immer
neuer Liebe die Darstellung der Kinder unternimmt, wie ihm die Darstellung der
Frauen näher liegt, als die der Männer, und wie er in diesen das Charakte-
ristische, das Ursprüngliche und Urtümliche hervorhebt; wie er mit besonderer
Freude und mit prächtigem Humor Sonderlinge und komische Spießbürger
zeichnet, die zu seiner Zeit in Dresden häufiger als anderwärts zu sehen waren.
Auch die prächtige Kennzeichnung der Tiere gehört daher. „Wer eine Ethik des
Humors schreiben wollte, bei Richter fände er Illustrationen dazu."
Wir zweifeln nicht, daß die Rede mit ihrem warmen Ton, ihrer schönen
*) La nd und Leute in Ludwig Richters Holzschuitt-Bilderu. Festrede von
vr. Richard Meister. Leipzig 1889. Alphous Dürr. (Preis 80 H.)
 
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