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Woche die Einweihung der neuen „Brenzkirche" statt, von der wir in nächster
Nummer zu berichten gedenken. Von demselben hat Karl Gerok gesungen:
Kennt ihr im Lande Schwaben das Stabilem klein — doch groß,
Dem, reich an Geist und Gaben ein edles Paar entsproß?
Zwei Söhne sah es schreiten ans seiner Manern Ring,
Davor für alle Zeiten es Ehr' nnd Ruhm empfing.
WeilderStadt, etwa fünf Stunden westlich von Stuttgart gelegen und seit
1803 eine württembergische Landstadt, war einst nicht einmal die kleinste der
37 Städte, deren Vertreter im Reichstag aus der schwäbischen Städtebank saßen.*)
Das Städtchen ist auch ein Ort der bauenden und bildenden Kunst von alters-
her und darf daher im Christlichen Kunstblatt wohl genannt werden.
Aus ihm ist der so fein die alte Kölner und die Flandrische Kunst in sich
vereinigende Künstler hervorgegangen, welcher im Jahr 1432 unter sein liebliches
Magdalenenaltarbild in dem benachbarten Tiefenbronn geschrieben hat: Lukas
Moser Maler von Wil Maister des Werx. Bitt Gott vir in. Schri Kunst
schri und klag dich ser, dir begert jecz meinen mer so. o we. (Schade, daß der
arme Meister Lukas nicht erst 1532 lebte, da könnten Jansen und Genossen
doch auch „das Luthertum" und die Reformation für diesen Notschrei verant-
wortlich machen.)
Im Jahr 1492 ist an Stelle der alten Peter- und Paulskirche, deren zwei
Chortürme Reste des romanischen Baues zeigen, eine neue dreischiffige Hallen-
kirche begonnen worden, au der auch Meister Albrecht Georg, der Erbauer der
Stuttgarter Stiftskirche wie so mancher andern württembergischcn Kirchen, thätig
war. Den stcrngewölbten großen schönen Chor, der 1519 fertig geworden ist,
schmückt ein 1611 durch einen Stuttgarter Meister, Georg Müller, in den Formen
der Spätrenaissance ausgeführtes Sakramentsgehäuse, das in drei Abteilungen
bis zum Gewölbe emporsteigt und unten die Gestalt des langbärtigen, auf der
Erde ausgestreckten Propheten Elias zeigt, dem ein Engel das Himmelsbrot,
das Sinnbild des heiligen Sakraments bringt. In der Sakristei nördlich vom
Chor wird eine silberne und reich vergoldete Monstranz aus dem Anfang des
15. Jahrhunderts anfbewahrt, über deren zierlichem, streng gotischem Aufbau ein
schöner, durchbrochener Turmhelm sich erhebt, eines der frühesten und schönsten
Werke dieser Art und Form. Noch höher an Kunstwert wird das silberne Kreuz
geschätzt, das mit seinen feinen Figürchen und Zieraten zu den besten Werken
des ausgehenden 15. Jahrhunderts zu rechnen ist.
Auf dem ansehnlichen Marktplatz steht der alte 1537 vor dem Rathaus
errichtete Brunnen mit dem geharnischten Standbild Kaiser Karls V. und das
von Kreling in Nürnberg modellierte, von Lenz und Herolt in Nürnberg ge-
gossene edelschöne Denkmal des großen Astronomen und treuen evangelischen
Bekenners Johannes Kepler, welcher als Enkel des Bürgermeisters Sebald
*) Vergleiche die schöne Schrift: „Denkwürdigkeiten der ehemaligen schwäbischen Reichs-
stadt Weil. Zmn besten des Banes einer evangelischen Kirche in Weil der Stadt heransgegcben
von vr. Julius Hartmann (dem Sohne des trefflichen Brenz-Biographen). Mit 12 Abbildungen.
Stuttgart. Verlag von Greiner und Pfeiffer 1886.
 
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