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nils Murano und eine Anzahl Elfenbeindosen ü zeigen in merkwürdiger Über-
einstimmung die Engel mit Krenzstaben ausgerüstet, die Fraueu auf denn Wege
zum Grabe erscheinen mit dem Salbgefäß, in dem Verkündigungsbildchen erscheint
Maria stehend, das Grab des Lazarus ist als Höhle geformt, Maria ruht iu
der Geburtsdarstellung auf einem aufrecht gestellten Polster, lauter Eigentümlich-
keiten, die sich im ganzen christlichen Altertum ganz allein auf einer Anzahl Ol-
fläschchen und Terrakotten in Monza finden, die aus dem heiligen Laude stammen
und der Langobardenkönigin Theodelinde voll Gregor den: Großen zur Aus-
stattung ihrer Liebliugsstiftuug, des Domes in Monza nach ihrem Übertritt zur
katholischen Kirche (603) geschenkt wurden. Das deutet darauf hin, wo diese
Gruppe von Elfeubeiunrbeiten entstanden sein mag, nämlich dort, wo ihre Vor-
bilder silid, ili Monza. Doch wird Theodelinde ihre Schnitzer nicht unter den
Langobarden gefunden haben. Ihre Arbeiter stammten aus Ravenna und brachten
die Überlieferungen ihrer Schule mit.
Mit dell letzten Erzeugnissen der Monzeser Schule schließt die altchristliche
Kunst des Abendlandes um die Mitte des achten Jahrhunderts. Die karo-
lingischen Schnitzschnlen, die wohl am Rhein und in der Moselgegend ihren
Sitz gehabt haben werden, griffen hinter die Entwicklung zurück auf Vorlagen
aus dell vier erstell Jahrhunderten, und doch zeigen die Werke dieser karo-
lingischen „Renaissance" bereits in Stoss lind Formen die Keime der mittelalter-
lichen Kunst. Die karolingischen Tafeln zeigen als Umrahmung sauber gearbeitete
Akanthusleisten, die Engel sind auf einmal wieder unbeflügelt, das silid Nach-
klänge der alten guten Zeit, aber zu dell Füßen der Figuren breitet sich jetzt
Fels- oder Steinboden ans, die Figuren werden lang und schlank, und wo die
Kreuzigung dargestellt ist, wird sie fast mittelalterlich geschildert.
Da nach den genannten Merkmalen noch ein gutes Teil der angeblich
byzantinischen Tafeln als karolingisch bezeichnet werden muß, ?) so bleibt für
Ostrom verhältuismäßig mir sehr wenig übrig und voll diesem Wenigen stammt
das älteste Stück, die Tafel mit dein Erzengel Michael, erst aus der Zeit Justinians.
Gleiche Architektur, gleiche Säuleu und Bogen, gleiche Behandlung des Haares,
die Einbiegung der Kniee, die Behandlung der Gewandsäume, der Nimbus in
Muschelform lind ähnliche, bisher wenig beachtete Kleinigkeiten bezeugen unwider-
leglich die Zusammengehörigkeit dreier weiterer Diptychen in Berlin, Ronen und
Mailand und zweier Tafeln im Vatikan und in London unter sich und mit der
Michaeltafel, aber damit sind die „byzantinischen" Werke erfchövft. Die alte
Kunstübung erhält sich in Byzanz noch über den Bildersturm hinaus. Erst daun,
also nm ein Jahrhundert später als im Abendlande, beginnt in Byzanz das
Mittelalter. Or. Alfred Heußner, Kassel.

0 Gnrr. 456; 437, 3; 438, 5; 438, 3; 452, I. 2; 439, 1-3.
2) Garr. 449, 2; 450, 1. 2; 459, 3.

Inhalt: Die Verhandlung der Eisenacher Kirchenkonferenz über Evangelischen Kirchenbau. III.
Von Vizepräsident Propst v. Freiherr von der Goltz. — Die Geschichte der christlichen
Kunst von Franz Xaver Kraus. Von Dr. Gradmann. (Schluß.) — Fritz v. Uhde: Die
Predigt am See. Von I. Al. (Schluß.) — Vom Büchertisch. Mit zwei Abbildungen. —
Die altchristliche Elfenbeinplastik. Von vr. Alfred Heußner.
Verantwortliche Redaktion: Oberkonsistorialrat vr. Johs. Merz in Stuttgart.
Druck und Verlag von I. F. Steiirkopf in Stuttgart.
 
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